Versailles, 11. Mrz (Reuters) – Die Europäische Union hat der Ukraine eine Beitrittsperspektive signalisiert, ohne sich aber auf eine Zusage oder einen Zeitraum festzulegen. Auf dem zweitägigen informellen EU-Gipfel in Versailles beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag zudem, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu verringern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, man wolle bis Jahresende auf zwei Drittel der Energielieferungen aus Russland verzichten können.
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass man etwa russisches Gas derzeit noch brauche, aber intensiv daran arbeite, die Abhängigkeit zu reduzieren. Mehrere Regierungschefs verurteilten die fortgesetzten russischen Angriffe in der Ukraine in scharf. Die EU habe erneut Geschlossenheit beweisen, sagte Scholz.
AUSGESTRECKTE HAND FÜR DIE UKRAINE – KEINE BEITRITTSZUSAGE
Die EU-Staaten einigten sich auf dem Gipfel darauf, dass man die EU-Kommission um die Prüfung des am 28. Februar gestellten Beitrittsantrages bitte, unabhängig davon aber die Beziehungen zu dem Land vertiefen wolle. „Der Weg in unser Europa ist offen für sie“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Europa werde der Ukraine beim Wiederaufbau der von Russland verursachten Zerstörungen helfen.
Scholz betonte, man habe der Ukraine „in aller Freundschaft“ deutlich gemacht, dass man engere Beziehungen wolle. Gleichzeitig wüssten aber alle, dass die EU auf vielen Voraussetzungen beharren müsse. „Es gibt Teile, worauf wir nicht verzichten können“, sagte Scholz mit Blick etwa auf Rechtsstaatlichkeits-Prinzipien und Reformen auf anderen Gebieten. Er verwies darauf, dass auf dem Westbalkan bereits etliche Beitrittskandidaten bereitstünden. Man sei sich einig, dass man deren Aufnahmeprozess beschleunigen müsse.
Einige Regierungschefs wie der litauische Präsident Gitanas Nauseda betonten, dass sie sich ein klareres Signal an die Ukraine gewünscht hätten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die EU zuvor vehement aufgefordert, sein Land sehr schnell – quasi im Eilverfahren – in die Europäische Union aufzunehmen, weil er sich dadurch besseren Schutz gegenüber russischen Angriffen erhofft.
Normalerweise dauert eine Prüfung von Aufnahmewünschen, die mittlerweile auch Georgien und die Republik Moldau gestellt haben, in der EU-Kommission zwischen 15 bis 18 Monaten. Danach würde sich bei einem positiven Votum ein jahrelanger Prozess der Übernahme von EU-Regeln durch Beitrittskandidaten anschließen.
EU NIMMT WEITERE MILITÄRHILFEN IN DEN BLICK
Die 27 Regierungschefs und Regierungschefinnen hatten bis in die Nacht auf Freitag fünf Stunden lang über eine Antwort auf die russische Invasion verhandelt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kündigte an, dass die EU-Kommission weitere 500 Millionen Euro Militärhilfe vorschlagen wolle. Mehrere Regierungschefs sagten, dies sei auf dem Gipfel nicht beschlossen worden sei. Scholz erklärte aber, dass er niemanden kenne, der gegen weitere Militärhilfen sei. Diese würde auch national geleistet, weil der Zeitdruck groß sei.
Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin warnte vor einer Ausweitung des Konflikts. Die Lage in der Ukraine sei nach den russischen Angriffen „herzzerreißend“. „Aber wir wollen auch sicherstellen, dass wir nicht im Dritten Weltkrieg enden“, sagte sie. Der französische Präsident sagte, dass die EU zudem bereit sei, weitere Sanktionen gegen Russland zu beschließen: „Alle Optionen sind auf dem Tisch.“
DEBATTE ÜBER ENERGIESICHERHEIT
Am Freitag stand auch die Frage im Vordergrund, wie die EU ihre Verteidigungsfähigkeit und die Versorgungssicherheit bei Energielieferungen stärken kann. „Wir wollen und von der Abhängigkeit befreien, in Übereinstimmung mit unseren europäischen Interesse … und ganz offensichtlich brauchen wir dafür einen besonderen Plan für den nächsten Winter“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel.
Von der Leyen hatte angekündigt, dass die Gasspeicher in der EU bis zum 1. Oktober zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Damit will man eine größere Versorgungssicherheit für den nächsten Winter erhalten, auch wenn es zu einem Stopp der russischen Gaslieferungen kommen sollte. Als Zieldatum für ein Ende der Importe aus Russland sind die Jahre 2030 und 2027 im Gespräch. Beschlüsse hierüber sollen erst später fallen.
Macron hatte als Gastgeber des Gipfels weitere Investitionen auf europäischen Ebene in den Bereichen Verteidigung und Energie vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat gerade auf nationaler Ebene ein Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr mit einer Kreditaufnahme von 100 Milliarden Euro beschlossen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi forderte aber eine europäische Antwort.
„Wir müssen einen Kompromiss finden, wo wir die Mittel finden, denn es gibt keinen Spielraum im nationalen Haushalt“, sagte Draghi nach dem EU-Gipfel. „Wir brauchen eine europäische Antwort.“ Italien hatte auch ins Gespräch gebracht, dass Verteidigungsausgaben aus der Berechnung des Defizits nach dem europäischen Stabilitätspakt herausgerechnet werden sollen. Beschlüsse fielen auch hierzu nicht auf dem informellen Gipfel.
EU will Ukraine enger anbinden – und sich von Russland lösen
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.