Europäische Asset Manager und Asset Owner wenden die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten bislang nur wenig an, um die Nachhaltigkeit ihrer Finanzprodukte zu steuern und nachzuweisen. Sie sind zuversichtlich, dass die Taxonomie noch breitere Anwendung finden wird. Noch verhindern das aber vor allem ein Mangel an brauchbaren Daten und viel Unsicherheit rund um die „richtige“ Anwendung der Taxonomie. Das sind die Ergebnisse des neuesten European Sustainable Finance Survey.
adelphi hat für diese Umfrage im Auftrag des Bundesumweltministeriums 21 europäische Asset Manager, Asset Owner und ihre Verbände im Sommer 2022 quantitativ und qualitativ befragt und über 200 Prospekte von Artikel 8 und 9 Fonds analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass es bislang kaum die Möglichkeit gibt, Taxonomie-konform zu investieren. Aufgrund fehlender Daten und Erfahrungen sowie den vielen Baustellen bei der Finalisierung der Taxonomie wünschen sich Asset Manager und Asset Owner, dass Kunden und Gesetzgeber ihre Erwartungen noch niedrig halten.
Wo die benötigten Taxonomie-Kennzahlen von Investitionsobjekten überhaupt verfügbar seien, fehle es den Befragten zufolge oftmals an Erläuterungen. Das mache sie schwer interpretier- und vergleichbar. Unvollständige oder unverlässliche Daten zu nutzen bedeutet für viele Asset Manager und Asset Owner ein Reputationsrisiko. So sagte einer der Befragten: “Nichts ist gefährlicher, als zu viel zu versprechen und am Ende nicht die Anforderungen zu erfüllen.“ Ein weiterer gab an: „Wir haben unsere Ergebnisse mit denen der Wettbewerber verglichen und waren schockiert, wie schwierig es ist, sie tatsächlich zu vergleichen.”
Bessere Datenqualität absehbar
Die befragten Asset Manager und Asset Owner sind allerdings zuversichtlich, dass sich die Datenqualität mit der Zeit verbessern werde. Zum einen durch neue Berichtsstandards für Firmen, die auf EU- und internationaler Ebene eingeführt werden. Zum anderen werden auch Datenanbieter und Firmen mit der Zeit voneinander lernen und sich an den Ergebnissen orientieren, die am Markt am meisten nachgefragt werden.
Damit die Taxonomie dann auch breitere Anwendung findet, wünschen sich manche Asset Manager und Asset Owner mehr Unterstützung, etwa durch Trainings, Leitfäden oder Vorlagen. Einer der Befragten gab auch an: „Wir würden gerne deutlich mehr Unterstützung von denjenigen erhalten, die die Taxonomie entwickelt haben. Dazu gehören Personen, an die wir uns wenden können, wenn wir Fragen haben.“ Insbesondere kleineren Asset Management Häusern bereitet die Komplexität der Taxonomie-Bewertungen und -Berichte Schwierigkeiten. Allerding ist das Timing wichtig – kommen offizielle Vorgaben oder Hilfestellungen zu spät, stehen sie möglicherweise im Gegensatz zu den dann bereits entstandenen Markt-Standards.
Die Mehrheit ist gegen Gas und Atom
Die Befragten sind sich einig, dass die Taxonomie bislang einen sehr begrenzten Rahmen an Aktivitäten erfasst. Dies macht es schwierig, sie zur Steuerung von Investment-Portfolien zu nutzen. Neben den ersehnten fehlenden Kriterien für die vier verbleidenden Umweltzielen begrüßen viele die Idee einer „Übergangs-Taxonomie“ um die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit voran zu treiben und den Investitionshorizont für Investoren mit Impact-Interesse zu erweitern. Eine Mehrheit der Befragten ist sich einig, dass Gas und Atomenergie nicht von der Taxonomie erfasst werden sollten. Gleichzeitig wären die Auswirkungen einer Einstufung dieser Technologien als „nachhaltig“ auf den Markt anscheinend eher limitiert – viele der befragten Häuser werden voraussichtlich ihre bestehenden Nachhaltigkeitsstrategien einfach weiterverfolgen.
Insgesamt zeigt die Umfrage, dass sich Asset Manager und Asset Owner gerade in einem Lernprozess befinden. Sie sehen in der Taxonomie mehr als ein reines Reporting-Tool, sind aber über ihre weitere Verwendung noch unschlüssig. Doch auch wenn die EU-Taxonomie noch weit davon entfernt ist, das wichtigste Instrument von Asset Managern und Asset Ownern für nachhaltiges Investieren zu sein – dass sie den Markt ordentlich wachgerüttelt hat, ist unübersehbar.
Über das European Sustainable Finance Survey
Das European Sustainable Finance Survey ist eine jährliche Umfrage im Auftrag des deutschen Bundesumweltministeriums zu den Themen nachhaltige Finanzierung und EU-Taxonomie. Die erste Ausgabe im Jahr 2020 untersuchte die mögliche Taxonomie-Konformität großer europäischer Unternehmen und Banken. Im Jahr 2021 wurde der Frage nachgegangen, wie öffentliche Finanzinstitute in Europa die Taxonomie nutzen können, um eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit dem Europäischen Green Deal zu fördern. Im Jahr 2022 liegt der Schwerpunkt der Umfrage auf europäischen Vermögensverwaltern und -eigentümern und ihren Erfahrungen und Herausforderungen in Bezug auf die Taxonomie. Mehr zur Umfrage 2022 finden Sie hier.
Die Umfrage wird von adelphi in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerorganisationen durchgeführt.
Titelbild Symbolfoto
Quelle adelphi research gemeinnützige GmbH