Brüssel, 15. Jun (Reuters) – Im Streit über das Nordirland-Protokoll zum britischen EU-Ausstieg stellt die Europäische Kommission der Regierung in London ein Ultimatum. Sollte sie nicht binnen zwei Monaten auf juristische Einwände der EU gegen das neue Gesetz zum Brexit-Vertrag reagieren, könnte die Brüsseler Behörde gegen Großbritannien vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, sagte Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic am Mittwoch in Brüssel. Es gebe keine juristische oder politische Rechtfertigung für die einseitige Änderung einer internationalen Vereinbarung durch Großbritannien. „Nennen wir die Dinge beim Namen, das ist illegal.“
Nach monatelangem Ringen um das Nordirland-Protokoll hat die britische Regierung am Montag ein Gesetz vorgestellt, mit dem sie die umstrittene Regelung zum Grenzverkehr zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland aushebeln will. Die von Außenministerin Liz Truss vorgestellten Pläne lösten entschiedenen Widerspruch in der EU aus. Truss will unter anderem gerade die Rolle des jetzt von Sefcovic genannten Europäischen Gerichtshofs als alleinigem Schiedsrichter bei Streitigkeiten beenden. Mit der jüngsten Zuspitzung droht sich der Konflikt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in einen Handelskrieg auszuweiten.
Sefcovics Ultimatum bezog sich auf zwei neue und eine am Mittwoch wieder aufgenommene juristische Maßnahmen, die in Strafen des Europäischen Gerichtshofs gegen Großbritannien münden könnten. Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch zugleich, sie suche weiter das Gespräch mit Großbritannien über das Nordirland-Protokoll. Die britische Regierung hatte die Vereinbarung selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, sie inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt.
Das Protokoll sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten, auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt. Das führte unter anderem zu Lieferproblemen und auch insgesamt zu großem Unmut in Großbritannien. Die Regierung in London will nun unter anderem Steuervorschriften ändern und plant ein Kennzeichnungssystem, bei dem Grün für Produkte gilt, die im Vereinigten Königreich bleiben, und Rot für Exporte in die EU.
EU droht Großbritannien wegen Nordirland-Protokoll mit Gericht
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