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Energiekrise kann mit Preisdeckel auf russisches Gas eskalieren

Brüssel/Berlin/Wladiwostok, 07. Sep  – Die EU-Kommission plant einen Preisdeckel auf russisches Gas. Russland drohte für diesen Fall mit Vergeltungsmaßnahmen. Öl und Gas werde dann nicht mehr geliefert, sagte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok. Am Freitag beraten die EU-Energieminister in Brüssel über konkrete Maßnahmen. Die deutsche Industrie warnte wegen der explodierenden Stromkosten vor einer Pleitewelle, gefährdet seien vor allem mittelständische Betriebe. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die Einnahmen Russlands müssten reduziert werden. Putin nutze das Geld, um den Angriffskrieg in der Ukraine zu finanzieren. Die Brüsseler Behörde will zudem „Zufallsgewinne“ von Energiekonzernen abschöpfen, die in der jetzigen Krise von den hohen Preisen profitieren. Das Geld solle genutzt werden, um Haushalte und andere Firmen zu stützen. Die betroffenen Konzerne müssten einen Solidaritätsbeitrag leisten, so von der Leyen, ohne ins Detail zu gehen. 

Konkret plant die EU-Kommission eine Preisdeckelung von 200 Euro pro Megawattstunde für Strom, der nicht mit Gas produziert wird. Dies geht aus einer Vorlage der Behörde hervor, die die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Zudem will die Kommission, dass die Mitgliedstaaten ihren Stromverbrauch um zehn Prozent pro Monat drosseln, gemessen am durchschnittlichen Verbrauch der vergangenen fünf Jahre. Diese Vorschläge sollen am Freitag beraten werden.

RUSSLAND WILL SICH STÄRKER AUF ASIEN KONZENTRIEREN

Putin sagte, ein Preisdeckel wäre „dumm“. Sollte es dazu kommen, werde Russland sich nicht mehr an seine Lieferverträge halten. Es sei kein Problem, weltweit Abnehmer zu finden. So seien bereits sämtliche Eckpfeiler zum Verkauf von Gas an China über die Mongolei vereinbart. Überhaupt trotze die russische Wirtschaft den Sanktionen des Westens, die er als finanzielle und technologische Aggression bezeichnete. Zugleich räumte der Präsident aber auch ein, dass es in einigen Branchen und Regionen Schwierigkeiten gebe. So hätten Unternehmen zu kämpfen, die auf Zulieferungen aus Europa angewiesen seien.

Österreichs konservativ-grüne Regierung beschloss unterdessen eine Strompreisbremse. „Sie hilft den Menschen, die Preissteigerungen von den Energieunternehmen besser zu verkraften“, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Die Preisbremse sei für etwa 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Drei-Personen-Haushalts wirksam. Für einen Verbrauch über 2900 Kilowattstunden hinaus müsse der Marktpreis gezahlt werden. Nach Berechnungen der Regierung beläuft sich die Einsparung für jeden Haushalt auf etwa 500 Euro im Jahr. Gelten soll die Preisbremse ab Dezember bis Ende Juni 2024. Die Kosten beziffert die Regierung mit rund drei bis vier Milliarden Euro, je nach Preisentwicklung. 

Deutschland plant ein ähnliches Vorgehen. Die Details sind aber noch offen. Die Energiekosten dominierten auch die Generaldebatte von Regierung und Opposition im Bundestag. Oppositionsführer Friedrich Merz warf der Ampel-Koalition vor, eine Lösung der Krise zu verschleppen. Merz bekräftigte seine Forderung, die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland vorläufig am Netz zu halten. Bundeskanzler Olaf Scholz wies die Vorwürfe zurück. Die Regierung löse Probleme, bevor diese von CDU und CSU überhaupt bemerkt würden, sagte der SPD-Politiker und verwies auf die mittlerweile wieder gefüllten Gasspeicher. 

INSOLVENZWELLE BEFÜRCHTET

„Im Handwerk rollt auf uns wegen der Energiekrise eine Insolvenzwelle zu“, sagte der Präsident des Branchenverbands ZDH, Hans Peter Wollseifer, der „Rheinischen Post“. „Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können.“ Die Dynamik bei Pleiten sei viel schlimmer als in den Hochphasen der Corona-Pandemie. Nach seinem Eindruck habe die Bundesregierung dies noch gar nicht auf dem Schirm. Der Staat müsste jetzt besonders betroffene, energieintensive Betriebe direkt mit Härtefallhilfen unterstützen.

In einer Studie des Industrieverbandes BDI heißt es, für 58 Prozent der Betriebe seien die sprunghaft gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten eine starke Herausforderung, für 34 Prozent gehe es um die Existenz. Letzteres hatten im Februar erst 23 Prozent gesagt. Fast jedes zehnte Unternehmen hat die Produktion in Deutschland derzeit gedrosselt oder sogar schon unterbrochen. Fast jede vierte Firma denke darüber nach oder sei bereits dabei, Unternehmensanteile oder Teile der Produktion sowie Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Das 65 Milliarden Euro schwere Entlastungspaket der Ampel-Koalition biete zu wenig für die Wirtschaft, kritisierte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Die Politik muss jetzt aktiv werden, um Insolvenzen und weitere wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zu verhindern.

Auf Haushalte in Deutschland könnten einer DIW-Studie zufolge durch die Energiekrise Mehrkosten von jährlich bis zu 1500 Euro zukommen. Ohne Entlastungen gerechnet belaufen sich die Ausgaben auf diese Summe. Die Fachleute plädieren für eine Gaspreisgarantie, die maximal 80 Prozent des Verbrauchs abdecken sollte. Entscheidend sei, Anreize zum Sparen von Gas zu setzen, sagte DIW-Experte Karsten Neuhoff. „Sollten die russischen Gaslieferungen eingestellt werden, gäbe es nicht genügend Alternativen, um die Versorgung von Haushalten und Industrie sicherzustellen. Um akute Engpässe zu vermeiden, müssen daher auch Privathaushalte mindestens 20 Prozent ihres Gasverbrauchs einsparen.“

Energiekrise kann mit Preisdeckel auf russisches Gas eskalieren

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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