Berlin/Brüssel, 07. Sep – Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist im Frühjahr etwas stärker gewachsen als bisher angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt im Währungsraum stieg zwischen April und Juni um 0,8 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch mitteilte und damit eine frühere Schätzung von plus 0,6 Prozent leicht revidierte. Für Schwung sorgte vor allem der privaten Konsum, der mit Abebben der Corona-Einschränkungen spürbar anzog, während der Außenhandel bremste. Zum Jahresanfang hatte die Wirtschaft in den Euro-Ländern um 0,7 Prozent zugelegt und damit ebenfalls kräftiger als zunächst gedacht. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen sowie anhaltende Lieferengpässe machen Firmen und Verbrauchern jedoch zu schaffen. Für Deutschland erwarten viele Ökonominnen und Ökonomen deshalb im Herbst und Winter eine Rezession wegen der Energiekrise und der hohen Inflation.
Ifo-Chef Clemens Fuest sieht die deutsche Wirtschaft auf eine Stagflation und im schlimmsten Fall eine Rezession zusteuern. Eine Phase stagnierender oder sogar schrumpfender Wirtschaftskraft bei gleichzeitig hoher Inflation sei „eine sehr schlechte Nachricht“, warnte er beim Verein der Ausländischen Presse in Deutschland (VAP) in Berlin. Es sei eine Krise des mangelnden Güterangebots, was sich besonders drastisch bei der Energie zeige. Doch es betreffe auch die Wertschöpfungsketten. Die Politik könne in dieser Lage viel weniger machen als bei einer Nachfrageschwäche. Die Europäische Zentralbank sollte sich bei den Zinsen nicht zurückhalten. Eine starke Erhöhung bei der EZB-Sitzung am Donnerstag wäre aus seiner Sicht angebracht.
Fuest verwies auf Prognosen, wonach Deutschland Anfang nächsten Jahres bei einem vollständigen russischen Gasstopp in die Rezession rutschen könnte: „Das halte ich für realistisch.“ Mit Blick auf den Preisauftrieb sei zu befürchten, dass es im Herbst im Euro-Raum und in Deutschland in „Richtung zweistelliger Inflationsraten“ gehen werde. Die Inflation war im August im Euroraum auf die Rekordmarke von 9,1 Prozent geklettert.
Auch Deutsche-Bank -Chef Christian Sewing geht von einem Abwärtsstrudel für die Konjunktur aus, da hohe Energiepreise, gestörte Lieferketten und Kaufkraftverluste belasteten. „Eine Rezession in Deutschland wird in der Folge nicht mehr abzuwenden sein“, sagte der Manager bei einem „Handelsblatt“-Kongress. Einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zufolge sehen mittlerweile mehr als 90 Prozent der Firmen in den gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe eine starke oder sogar existenzielle Herausforderung. „Die Bundesregierung muss schleunigst ein Entlastungsprogramm für die Wirtschaft auf den Weg bringen“, forderte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Industrie, Bau und Energieversorger stellten nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Juli zusammen 0,3 Prozent weniger her als im Vormonat. „Die Industrie ist schwach ins dritte Quartal gestartet“, räumte das Bundeswirtschaftsministerium ein und erwartet keine rasche Besserung. „Die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland und die hohe Unsicherheit durch den Krieg trüben die Aussichten für den Rest des Jahres weiter ein.“
Euro-Wirtschaft überrascht mit viel Wachstum – Rezession droht
Quelle: Reuters
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