Frankfurt, 23. Aug – Die Angst vor einer Rezession angesichts der galoppierenden Gaspreise hält die Anleger in Europa weiter in Atem. Vor dem Winter nehme wieder die Furcht vor einer Energiekrise zu, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. „Moskau hat die Hände am Gashahn und entscheidet somit über die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten.“ Dax und EuroStoxx50 gingen am Dienstag jeweils 0,3 Prozent schwächer bei 13.194 beziehungsweise 3648 Punkten aus dem Handel. An den US-Börsen notierten die Kurse uneinheitlich.
Der Euro fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren, drehte dann aber zum Dollar wieder ins Plus. In den USA verdichten sich die Anzeichen für eine Rezession. So brach der Absatz von neuen Häusern im Juli ein, die Einkaufsmanagerindizes signalisierten ein Schrumpfen der Wirtschaft. „Die Daten deuten auf eine größere Abkühlung hin, sie zeigen, dass die Konjunktur schnell an Fahrt verloren hat“, sagte Edward Moya, Analyst beim Brokerhaus OANDA. „Das lässt die Hoffnung aufkommen, dass die US-Notenbank Fed nicht so aggressiv vorgeht wie bislang erwartet.“ Börsianer rechnen damit, dass die Fed ihren Leitzins im September um einen halben Prozentpunkt anhebt.
In Europa dreht sich derweil alles um die Entwicklung am Gasmarkt. „Natürlich ist der gestrige Anstieg der Gaspreise eine rundum schlechte Nachricht“, sagte Kenneth Broux, Währungsstratege bei Societe Generale. Die Furcht vor Engpässen hatte den Gaspreis zum Wochenstart weiter nach oben getrieben. Der europäische Future erreichte den Rekordwert von 292,50 Euro je Megawattstunde. Am Dienstag gab er fünf Prozent auf 263,50 Euro nach.
Der Ölpreis legte zu, Nordseeöl der Sorte Brent verteuerte sich um bis zu 3,6 Prozent auf 99,98 Dollar je Barrel, leichtes US-ÖlCLc1 kostete mit 94,22 Dollar 4,3 Prozent mehr. Saudi Arabien hatte am Montag Produktionskürzungen des Ölkartells Opec und seiner Verbündeten ins Spiel gebracht. Insidern zufolge steht ein derartiger Schritt zwar nicht unmittelbar bevor, aber könnte nötig sein, falls die Sanktionen gegen den Iran im Zuge der Atomverhandlungen aufgehoben werden und zusätzliches Öl auf den Markt kommt.
GEGENWIND FÜR UNTERNEHMEN
Angesichts der hohen Energiepreise sowie des Lohndrucks, der Materialengpässe, der Lieferkettenprobleme, dem Mangel an Facharbeitern und einer schwächeren Weltwirtschaft wehe den Unternehmen viel Gegenwind entgegen, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Dies machte sich auch bei den am Markt stark beachteten Einkaufsmanagerindizes bemerkbar.
Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im August wegen der hohen Inflation und steigender Zinsen so stark wie seit den Anfängen der Corona-Pandemie vor über zwei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Service-Sektor zusammen – sank um 0,5 auf 47,6 Punkte. Damit liegt das Barometer deutlich unter der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert. Auch in der Euro-Zone war die Wirtschaft den zweiten Monat in Folge im Rückwärtsgang. Das lässt nach Ansicht vieler Experten eine Rezession im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher werden.
Bei den Einzelwerten zogen die Anteilsscheine von TAG Immobilien in der Spitze 6,9 Prozent an und gingen noch 2,2 Prozent fester aus dem Handel. Höhere Mieten und sinkende Leerstände haben der Immobilienfirma zuletzt die Kassen gefüllt und das für die Branche wichtige operative Ergebnis aus dem Vermietungsgeschäft (FFO 1) steigen lassen. Die Analysten vom Finanzhaus Berenberg wiesen vor allem auf solide Fortschritte beim Abbau von Leerständen im ersten Halbjahr hin.
Nach der vorangegangenen Talfahrt legte auch der Energieversorger Uniper 3,9 Prozent zu. Das wegen der Gaskrise taumelnde Unternehmen hatte angekündigt, in seinem Steinkohlekraftwerk Heyden 4 mit der Stromproduktion für den Markt zu beginnen. Dies soll zur Sicherstellung der Energieversorgung beitragen.
Energiekrise hat Europas Aktienmärkte im Griff – Rezessionssorgen
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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