Update London, 19. Okt – Russland bereitet sich auf einen ukrainischen Großangriff in der Region Cherson vor und ruft die Bevölkerung auf, sich in Sicherheit zu bringen. In den nächsten sechs Tagen sollten rund 50.000 bis 60.000 Menschen an das Ostufer des Flusses Dnipro oder nach Russland gebracht werden, kündigte der von Russland eingesetzte Verwalter Wladimir Saldo am Mittwoch laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass an. „Die ukrainische Seite zieht ihre Truppen für eine großangelegte Offensive zusammen“, sagte er. „Wo das Militär aktiv ist, ist kein Platz für Zivilisten.“
In den kommenden sieben Tagen sei der Zutritt zu der Region für Zivilisten verboten, sagte Saldo im staatlichen Fernsehen. Der Schritt sei nötig, um die Zivilbevölkerung zu schützen. In den vergangenen zwei Tagen hätten bereits mehr als 5000 Menschen Cherson verlassen. Die Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich nicht unabhängig verifizieren.
Sein Stellvertreter Kirill Stremoussow sagte, die ukrainischen Truppen könnten die Stadt Cherson und vor allem das Westufer des Dnipro unter Beschuss nehmen. Wer die Stadt verlasse, erhalte Zuflucht in Russland. „Ich forderte Sie auf, meine Worte ernst zu nehmen und sie umzusetzen: die schnellstmögliche Evakuierung“, sagte er. „Wir haben nicht vor, die Stadt aufzugeben, wir werden bis zum letzten Moment durchhalten.“
Die Ukraine warf dagegen Russland Propaganda vor. „Die Russen versuchen, die Menschen in Cherson mit falschen Newslettern in Angst und Schrecken zu versetzen, wonach unsere Armee die Stadt beschießt, und sie bereiten auch eine Propagandashow mit den Evakuierungen vor“, schrieb Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidialamtes, auf seinem Telegram-Kanal. „Propaganda wird nicht funktionieren.“
Der neue Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine räumte unterdessen ein, dass die Lage in der Region schwierig sei. Die Situation könne als angespannt bezeichnet werden, sagte Sergej Surowikin dem Sender Rossija 24. „Der Feind greift gezielt Infrastruktur und Wohngebäude an.“ In den vergangenen Wochen wurden die russischen Truppen um 20 bis 30 Kilometer zurückgedrängt und drohen, an das Westufer des Flusses Dnipro gedrängt zu werden.
Cherson ist die erste Großstadt, die nach der russischen Invasion im Februar unter russische Kontrolle geraten war. Russland hatte die Region Cherson und drei weitere ukrainische Regionen im September nach international scharf kritisierten Referenden annektiert. Vor dem Krieg lebten rund 280.000 Menschen in der Stadt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die russischen Raketen- und Drohnenangriffe gegen Kraftwerke und andere Infrastruktureinrichtungen in der Ukraine seien „Taten puren Terrors“. „Die internationalen Gesetze sind sehr eindeutig: Das sind Kriegsverbrechen“, sagte sie vor dem EU-Parlament. Auch in den vergangenen 24 Stunden griff Russland nach ukrainischen Angaben Ziele in Kiew und anderen ukrainischen Regionen an. Dabei seien auch 14 iranische Drohnen zum Einsatz gekommen, von denen zehn abgeschossen worden seien, erklärte das ukrainische Militär.
Einwohner von Cherson sollen Stadt verlassen – Ukrainische Offensive erwartet
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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