Berlin/Brüssel, 24. Mrz – Im Streit über das Verbrenner-Aus auf dem Automarkt ist eine Lösung greifbar. Obwohl das rechtliche Verfahren zwischen EU-Kommission und Deutschland noch nicht endgültig geklärt ist, äußerte sich die Bundesregierung optimistisch zu einer Einigung: „Das wird passieren und zwar bald“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Gipfel in Brüssel. Auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zeigte sich zuversichtlich nach einem Briefwechsel mit der Kommission: „Das ist ein Weg, der jetzt von der EU-Kommission beantwortet worden ist mit einem Schreiben, das mich optimistisch stimmt.“ Wissings Ministerium hatte zuvor der Kommission die Zulassung von Verbrenner-Autos mit sogenanntem E-Fuel auch nach 2035 vorgeschlagen. Dies lehnt sich inhaltlich stark an einem Angebot der Kommission an. Das rechtliche Verfahren für eine Umsetzung unterscheidet sich allerdings.
Wissing hatte im vergangenen Jahr bei den Verhandlungen zwischen Kommission, EU-Staaten und Europäischem Parlament zum Aus für neue Verbrenner ab 2035 einen Passus für einen Kompromiss durchgesetzt, in dem die Brüsseler Behörde um einen Vorschlag zu den E-Fuels gebeten wird. Dieser Passus ist nicht rechtsverbindlich. Die Kommission wollte ihn zudem erst nach dem formalen Beschluss der Staaten veröffentlichen. Wissing bestand aber kurz vor dem geplanten Beschluss auf einer Einigung zur Rolle der E-Fuels. Diese sind klimaneutral und könnten Verbrenner-Autos eine weiter Zukunft sichern.
Das Verkehrsministerium hatte dazu am Donnerstag erneut einen Brief und Vorschläge an die Kommission geschickt: Demnach soll die Möglichkeit für die Zulassung rein mit E-Fuels betriebener Autos über einen sogenannten delegierten Rechtsakt gesichert werden, wie aus dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Schreiben hervorgeht. Der Minister selbst erklärte: „Der Genehmigung von neuzugelassenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, sollte damit auch nach 2035 nichts mehr im Wege stehen.“ Auf Twitter betonte er: „Unser Vorschlag an die EU-Kommission ist das Aus für das Verbrenner-Aus.“ Die Kommission äußerte sich am Freitag zunächst nicht.
DEBATTE ÜBER VERFAHREN – WISSING MISSTRAUISCH
Inhaltlich liegen Kommission und Wissing nicht weit auseinander und wollen mit einer Änderung der Euro-6-Verordnung eine neue Typenklasse für E-Fuels-Autos schaffen. Diese sollen ausschließlich mit E-Fuels zu betreiben sein und bei anderen Kraftstoffen sofort abschalten. Allerdings will Wissing den Weg über einen Rechtsakt gehen, der wiederum von Parlament und auch Mitgliedsstaaten gestoppt werden könnte. Die Kommission wollte dies rein über technische Änderungen schneller und aus ihrer Sicht einfacher regeln. Zudem möchte Wissing eine Anrechnung von E-Fuels-Fahrzeugen auf die CO2-Vorgaben der EU.
Hintergrund des Wissing-Wegs ist offenbar tiefes Misstrauen gegenüber der Kommission. Dies zeigt sich auch im Begleitschreiben von Wissings Staatssekretär Hartmut Höppner an die Kommission: „Um die Bereitschaft zu unterstreichen, diesen Weg durch entsprechende Legislativvorschläge auch mit dem notwendigen Elan zu verfolgen, bitten wir außerdem darum, dass der Exekutive Vize-Präsident der Kommission, Herr Timmermans, oder die Präsidentin der Kommission, Frau von der Leyen, nach der Annahme der Verordnung in einem Brief die Fortschritte in der Gesetzgebung (…) würdigen und die Umsetzungsschritte der Verordnung detailliert darlegen.“
Deutschlands kurzfristiges Handeln in dem für das gesamte Klimaschutzprogramm der EU wichtigem Segment hat bei vielen anderen EU-Staaten Verärgerung ausgelöst. Wissings Veto hatte einen Beschluss unmöglich gemacht, da ohne eine Einigung in der Ampel-Koalition sich Deutschland bei Abstimmungen enthalten muss. Da weitere Staaten sich Wissings Position teilweise zu eigen machten, hatte das gesamte Vorhaben scheitern können.
Das federführende Umweltministerium wäre mit einer eigenen E-Fuels-Klasse einverstanden, die auch nach dem Aus für herkömmliche Verbrenner 2035 bestehen könnte. Da die Fahrzeuge ausschließlich mit E-Fuels fahren und diesen erkennen müssten, wäre die Konstruktion solcher Autos schwierig. E-Fuels werden mit Hilfe großer Mengen grünen Stroms, Wasserstoffs sowie mit CO2 aus der Atmosphäre produziert. Die Verbrenner sind so klimaneutral, obwohl sie am Auspuff CO2 ausstoßen. E-Fuels gelten als ineffizient und teuer. Bisher gibt es keine nennenswerte Produktion. Diese soll später vor allem im Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt werden, der anders als Autos nicht einfach auf Strom umstellen kann.
Einigung im Verbrenner-Streit bahnt sich an – Habeck sieht Lösung
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
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