München, 21. Sep – Mehr als zwei Jahre nach der Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard kommt dessen ehemaliger Vorstandschef Markus Braun vor Gericht. Das Landgericht München I hat die Klage gegen den 53-jährigen Österreicher und zwei weitere Ex-Manager von Wirecard unverändert zugelassen, wie es am Mittwoch mitteilte. Die Staatsanwaltschaft München I wirft Braun, seinem Bilanzchef Stephan von Erffa und dem Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, laut der 474 Seiten starken Anklageschrift Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue in mehreren Fällen und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.
Das Wirtschaftsstrafverfahren – eines der größten in der deutschen Geschichte – wird vor der vierten Strafkammer unter dem Vorsitz von Markus Födisch geführt. Verhandlungstermine stehen nach Angaben des Gerichts steht noch nicht fest. Laut „Handelsblatt“ dürfte es Anfang 2023 losgehen. Der Prozess könnte sich bis zu zwei Jahre hinziehen, zumal Braun alle Vorwürfe zurückweist und sich selbst als Opfer sieht.
Von dem Prozess erhoffen sich auch die Anleger Aufklärung darüber, wie es zu der Insolvenz des ehemaligen Börsenlieblings Wirecard kommen konnte. Die Ankläger sehen Braun als einen der Hauptverantwortlichen für einen jahrelangen Bilanzbetrug, der im Juni 2020 in eine Milliarden-Pleite mündete. Bis zur Insolvenz war Wirecard im Leitindex Dax gelistet und an der Börse zeitweise mehr wert als die Deutsche Bank. Braun und seine Manager hätten über Jahre hinweg darauf hingearbeitet, das Unternehmen erfolgreicher aussehen zu lassen, als es tatsächlich war. „Hierzu erfanden sie angeblich äußerst ertragreiche Geschäfte, vor allem in Asien“, heißt es in der vor sechs Monaten vorgelegten Anklageschrift. Die Bilanzen der Jahre 2015 bis 2018 seien gefälscht.
BRAUN SIEHT SICH ALS OPFER
Der langjährige Wirecard-Chef Braun, der seit Juli 2020 in Untersuchungshaft sitzt, sieht sich laut seinen Verteidigern als Opfer einer Bande, „die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat“. Dabei könnte auch Geldwäsche im Spiel sein. Das Unternehmen wickelte jahrelang Transaktionen für Online-Wetten und Internet-Pornographie ab. Brauns Vorwurf zielt offenbar auf den ehemaligen Vorstand Jan Marsalek ab, der für das angeblich erfolgreiche Asien-Geschäft verantwortlich ist und sich kurz nach der Pleite abgesetzt hat. Er wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, Medienberichten zufolge lebt er in Russland.
Bellenhaus hatte sich kurz nach der Pleite gestellt und vor den Ermittlern umfangreich ausgesagt. Von Erffa war im Juli 2021 aus der Untersuchungshaft freigelassen worden. Wirecard hatte im Juni 2020 zugeben müssen, dass es eine Milliardensumme, die angeblich auf dem Konto eines Treuhänders in Singapur lag, nie gegeben hatte. Auf die Existenz des Geldes hatten auch die Wirtschaftsprüfer von Wirecard, EYERNS.UL, jahrelang vertraut.
Das Geld sollte aus dem sogenannten Drittpartner-Geschäft (TPA) stammen, das Wirecard in Asien vor allem für Kunden aus der Porno- oder Glücksspielbranche betrieb. Auch Insolvenzverwalter Michael Jaffe geht davon aus, dass das Geld nie existierte. Braun besteht darauf, dass es das TPA-Geschäft und die damit verbundenen Erlöse gab.
Ehemaliger Wirecard-Chef Braun kommt bald vor Gericht
Quelle: Reuters
Titelfoto: Copyright [nikkimeel] /Depositphotos.com
Hier findet ihr den aktuellen Livestream zum Thema Web3 NFT Metaverse Talk