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Der Schatten des Ukraine-Krieges reicht bis Nordkorea

New York, 27. Mai (Reuters) – Als China und Russland am Donnerstag ihr Veto gegen neue UN-Sanktionen gegen Nordkorea einlegten, beendeten sie einen seit 2006 zumindest formell bestehenden internationalen Konsens gegenüber den Atom- und Raketentests des Regimes in Pjöngjang.

Denn zum ersten Mal seit dem Beginn der Sanktionen im Jahr 2006 wurde die Spaltung im UN-Sicherheitsrat bei diesem Thema deutlich – was auch einen Schatten auf die Zusammenarbeit der Atommächte bei weiteren Konfliktherden wirft.

Die US-Regierung jedenfalls bezeichnete die Abstimmung als eine „scharfe Abweichung von der bisherigen gemeinsamen Vorgehensweise des Rates in dieser Angelegenheit“. Die Abstimmung bedeute, dass Nordkorea sich freier fühlen werde, weitere eskalierende Maßnahmen zu ergreifen, schrieb Jeffrey Prescott, stellvertretender US-Botschafter bei den UN, auf Twitter. „Aber wir können uns mit diesem Schicksal nicht abfinden – das wäre viel zu gefährlich.“

Analysten und einige Diplomaten meinen jedoch, dass sich Washington mit dem eiligen Versuch, Konsequenzen aus den jüngsten nordkoreanischen Raketentests zu ziehen, möglicherweise verkalkuliert habe. „Ich denke, es war ein großer Fehler, dass die USA auf etwas gedrungen haben, das mit Sicherheit scheitern würde, anstatt sich geschlossen gegen die Aktionen Nordkoreas zu stellen“, sagte Jenny Town, Direktorin des in den USA ansässigen Programms 38 North, das Nordkorea beobachtet.

„Im gegenwärtigen politischen Umfeld hätte die Vorstellung, dass China und Russland sich mit den USA auf irgendetwas einigen könnten, natürlich ein starkes Signal an Pjöngjang gesendet.“ Es scheine aber, als wollten die Vereinigten Staaten diese Spaltung im Sicherheitsrat provozieren und herbeiführen, da sie wüssten, dass China und Russland die Resolution nicht unterstützen würden, meint Artyom Lukin, Professor an der Fernöstlichen Föderalen Universität in Wladiwostok. 

Der russische UN-Botschafter nannte die Resolution denn auch prompt „einen Weg in eine Sackgasse“. Aber auch in Europa gab es offenbar Vorbehalte. Ein europäischer Diplomat sagte, dass sein Land die US-Resolution zwar unterstütze, der Zeitpunkt aber nicht ideal gewesen sei. Washington hätte warten sollen, bis Nordkorea einen neuen Atomtest durchführe.

UKRAINE-KRIEG BELASTET AUCH ABSTIMMUNG ÜBER NORDKOREA 

Das ändert allerdings nichts an der inhaltlichen Besorgnis. Denn nach Einschätzung der USA hat Nordkorea in diesem Jahr bereits sechs ballistische Interkontinentalraketen (ICBM) getestet und bereitet sich „aktiv auf die Durchführung eines Atomtests vor“, der der erste des Landes seit 2017 wäre.

In den vergangenen 16 Jahren hat der UN-Sicherheitsrat kontinuierlich und einstimmig die Sanktionen verschärft, um die Finanzierung der Atomwaffen- und Raketenprogramme Pjöngjangs zu unterbinden. Zuletzt verschärfte er 2017 im Zusammenhang mit dem Atomtest die Sanktionen gegen Pjöngjang.

Schon vor dem jüngsten politischen Zerwürfnis kritisierte Washington jedoch zunehmend China und Russland für die aus seiner Sicht laxe Durchsetzung der Sanktionen. China und Russland forderten ihrerseits eine Lockerung der Sanktionen, um humanitäres Leid im Norden zu verhindern und die festgefahrenen Denuklearisierungsgespräche wieder in Gang zu bringen.

Moskau und Peking scheinen die Wiederaufnahme der nordkoreanischen Langstreckenraketenstarts einigermaßen zu tolerieren, aber es ist alles andere als klar, dass Pjöngjang die stillschweigende oder sonstige Zustimmung Russlands und Chinas zu einem Atomtest hat, sagte Lukin von der Universität in Wladiwostok. „Atomtests werden von Peking und insbesondere von Moskau als eine weitaus ernstere Angelegenheit betrachtet als Raketentests“, so Lukin.

Nichtsdestotrotz sieht Russland die Ukraine-Krise als Stellvertreterkrieg mit den USA, und dieser Krieg wirkt sich nun auf die Situation um Nordkorea aus. „Obwohl Moskau und Washington ein echtes gemeinsames Interesse an der Denuklearisierung Nordkoreas haben, ist es für sie jetzt extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich geworden, zusammenzuarbeiten“, sagte Lukin.

Chinas Botschafter bei den Vereinten Nationen, Zhang Jun, argwöhnte, dass die USA die koreanische Frage als „eine Schachfigur auf dem Schachbrett für ihre sogenannte indo-pazifische Strategie“ betrachten könnten.

Das Veto Chinas und Russlands sei also ein Zeichen für die Verschlechterung ihrer allgemeinen Beziehungen zu den USA und ihren Verbündeten, sagte auch der in Peking ansässige Sicherheitsforscher Zhao Tong von der Carnegie Endowment for International Peace. „Peking hätte sich der Stimme enthalten können, aber es nutzte das Veto, um öffentlich seine wachsende Uneinigkeit mit und seinen Unmut über Washington zu signalisieren“, sagte er. „Nordkorea profitiert davon.“

Der Schatten des Ukraine-Krieges reicht bis Nordkorea

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