Denkmalschutz und die Erneuerbaren in ewiger Konkurrenz?
In Zusammenhang mit den letzten gravierenden Umweltkatastrophen oder auch der aktuellen Gaskrise rückt es vielen wieder einmal in Gedächtnis: Deutschland, die Europäische Union und die ganze Welt leben noch immer in einer Abhängigkeit zu den fossilen Energien. Durch den voranschreitenden Klimawandel steht die Menschheit hier scheinbar vor einem unendlichen Abgrund.
Im Zuge dessen braucht es alle Bemühung, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und somit die derzeitigen Emissionen zu senken. Bürgerinnen und Bürger, Städte, Bundesländer und selbstverständlich auch der Staat müssen den Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windrädern vorantreiben. Egal, ob es sich dabei um alte oder neue Bausubstanz handelt und wie weit ein denkmalgeschütztes Haus entfernt ist.
Widerspruch in sich?
Viele Hausbesitzer entscheiden sich in letzter Zeit dazu, ihr Dach mit Solarmodulen ausstatten zu lassen. Deutsche Gemeinden und Investorinnen und Investoren bauen Freiflächenanlagen oder Windkraftwerke auf unbenutzten Landflächen. Auch Bestandsgebäude wie beispielsweise Fachwerkhäuser oder alte Scheunen auf dem Land bieten große Dachflächen, die für die Energiewende genutzt werden könnten. Viele ältere von ihnen gelten jedoch als besonders schützenswert und dürfen daher nicht ohne Genehmigung verändert werden.
Andere Gebäude stehen zwar nur unter Ensembleschutz, aber auch hier gelten spezielle Regelungen im Umgang mit Fassaden oder Dächern. Klimaschutz und Denkmalschutz stehen sich wie in diesem Fall oft in Konkurrenz gegenüber. Dabei handelt es sich beim Erhalt der weltweiten Lebensgrundlage und der Bewahrung des kulturellen Erbes um zwei Nachhaltigkeitsthemen, die sich eigentlich nicht ausschließen sollten.
Voraussetzungen für die Umsetzung
Zwischen dem Gedanken, die Energiewende zu unterstützen, und der wirklichen Konstruktion von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden stehen jedoch einige Arbeitsschritte, die bei ‚normalen‘ Gebäuden nicht anfallen. Von Anträgen über Begutachtungen der Umgebung bis hin zur Gestaltung der einzelnen Module existieren hier einige Stolpersteine, die beachtet werden müssen.
Dabei rentieren sich solche PV-Anlagen unter anderem auch für ältere landwirtschaftliche Gehöfte, um diese beispielsweise vor dem Verfall zu retten. Bei diesen Anbauten beziehungsweise der baulichen Erweiterung des Kulturdenkmals steht jedoch die Bewahrung desselben immer im Mittelpunkt und beeinflusst dadurch alle wichtigen Entscheidungen rund um die stattfindende Installation. Farbe und Struktur der Module müssen zum bestehenden Dach passen und das Konstrukt von außen möglichst wenig einsehbar bleiben.
So wollen Verantwortliche in den Ämtern den Geist des Alten in Kombination mit der Technik der Moderne verschmelzen, um somit den Denkmalschutz und den Naturschutz zu vereinen. Noch vor einigen Jahren erhielt nur ein verschwindend geringer Teil der gestellten Anträge überhaupt eine Genehmigung. Dies hat sich zwar in den letzten Jahren schon verbessert, aber trotzdem braucht es vonseiten des Denkmalschutzes noch einiges an Verständnis für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Entstehende Flaute im Ausbau
Neben der Photovoltaik ist vor allem auch die Windbranche besonders stark betroffen von wiederkehrenden Streitigkeiten mit dem Denkmalschutz. Immer wieder bremsen die Landesämter Bauvorhaben mit oft ausgefallenen Begründungen aus und sorgen somit für ein stetiges Stocken in der Energiewende. Unmarkierte Hügelgräber oder verwucherte Gebäude werden nach Aussage der staatlichen Verantwortlichen von den hohen Bauten erdrückt oder durch das Geräusch der riesigen Rotoren stark beeinträchtigt.
Zwar hat Robert Habeck als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz gesetzlich festgehalten, dass sich der Stromgewinn aus erneuerbaren Energien als ein ‚überragendes öffentliches Interesse‘ erweist, aber diese Information scheint bei vielen Landesdenkmalschutzämtern noch nicht vollständig angekommen zu sein. Fast 10 Prozent aller Anlagenprojekte im Bereich der Windkraft liegen momentan teilweise oder vollständig auf Eis und die Tendenz steigt. Im Zuge dieses ungewollten Stillstands versickern jedoch hohe Entwicklungskosten oft einfach im Sand.
Bayern plötzlich als Vorbild?
Großprojekte wie PV-Freiflächenanlagen oder kleinere Windparks bieten die Möglichkeit, mehrere Tausend Haushalte in der Umgebung mit grünem Strom zu versorgen. Somit schränkt der Denkmalschutz den Ausbau nachhaltiger Energiekonzepte stark ein. Einen Lichtblick am Ende dieses Tunnels zu erkennen, ermöglicht nun ausgerechnet das Bundesland Bayern, ansonsten eher für seine hohen Abstandsregelungen bekannt.
Vor Kurzem hat der Prozess rund um die Änderung des Denkmalschutzgesetzes begonnen. Im Zuge dessen will der Freistaat nur noch bei ‚besonders landschaftsprägenden Denkmälern‘ eine Prüfung durchführen und in allen anderen Fällen darauf verzichten. Solch eine Einsicht braucht es auch in der restlichen Bundesrepublik dringend, um den Ausbauaufschwung der letzten Zeit nicht wieder in Stocken zu bringen.
Autor
Diplom-Kaufmann Thomas Schoy ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Privates Institut. Als einer der ersten Investmentberater konzentrierte er sich auf das Thema erneuerbare Energien und setzte unter anderem Beteiligungsmodelle für Offshore-Windparks um.
Weitere Informationen finden Sie unter www.privates-institut.com
Bildquellen Privates Institut
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