Sonntag, Dezember 22, 2024
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„Cosco-Streit, die Zweite“ – Regierung ringt um China-Strategie

Berlin, 22. Nov (Reuters) – Die neue China-Strategie der Bundesregierung soll eigentlich eine einheitliche Linie der Ampel-Regierung im Umgang mit Peking festlegen. Aber der vertrauliche Entwurf des Außenministeriums zeigt, dass das 65-seitige Papier, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, zunächst einmal die schwelende Debatte innerhalb der Regierung über den richtigen China-Kurs anheizt.

Der Ampel droht ein neuer „Cosco-2“-Streit – also eine neue Auseinandersetzung vor allem zwischen Kanzleramt und den Grünen-Ministerien über die Frage, wie hart man künftig mit China umspringen sollte. Regierungssprecher Steffen Hebestreit stufte den Aufschlag aus dem Haus von Außenministerin Annalena Baerbock am Montag jedenfalls vorsichtshalber erst einmal herunter. Die Debatte in der Regierung „beginne“ ja jetzt erst. „Unausgegoren“, „Beamtenpapier“ lauteten andere wenig schmeichelhafte Einschätzungen. 

Das liegt nicht nur daran, dass sich in dem AA-Papier kritische Bemerkungen über den Einstieg chinesischer Investoren an Häfen finden – was sich wie ein Nachkarten für die Kabinettsentscheidung liest, bei der das Außenamt neben anderen FDP- und Grün-geführten Ministerien vergeblich die Minderheitsbeteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco in eine Betreibergesellschaft an einem Terminal im Hamburger Hafen verhindern wollten. Das Papier der Diplomaten ist durchzogen vom Wunsch nach einer klaren Frontstellung gegenüber dem autoritären China – mit Hinweis auf die schlechte Menschenrechtslage, drohende Abhängigkeiten und einem zunehmend aggressiven Auftreten Chinas gegenüber seinen Nachbarn und Taiwan. 

PARTNER, KONKURRENT, RIVALE

Zwar wird darauf verwiesen, dass die EU und Deutschland China sowohl als „Partner, Konkurrent und systemischen Rivalen“ ansähen. Aber betont wird auf den 65 Seiten vor allem die nötige Abgrenzung gegenüber dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land. Dabei müsse klarer werden, wo die deutsche Wirtschaft mit China auch enger zusammenarbeiten sollte, etwa um CO2-Emissionen zu vermeiden und die weltweite Ernährungssituation zu verbessern, kritisiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Das sieht man auch im Kanzleramt so, wo darauf verwiesen wird, welch wichtige Rolle China etwa dabei spiele, Russland vom Einsatz von Atombomben im Ukraine-Krieg abzuhalten. 

Dazu kommen offenbar fundamentale Unterschiede nicht nur beim Blick auf die kommunistische Führung in Peking, sondern auch auf die deutsche Industrie. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Firmen schon weiter seien als die Debatte in der Regierung. Er habe nach vielen Gesprächen den Eindruck, dass die meisten Unternehmen bereits Diversifizierungstrategien verfolgten – wofür auch das starke Wachstum des US-Geschäfts im Vergleich zum China-Handel spricht.

Auch auf Nachfragen lehnte Scholz eine Fixierung nur auf China ab. Das ist auch genau der Punkt, den viele Wirtschaftsvertreter in der Diskussion stört: „Bislang mangelt es an einer Ermutigungsstrategie, zukunftsfähige wirtschaftliche Beziehungen insbesondere im Asien-Pazifik-Raum auf- und auszubauen, auch um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden“, kritisiert Treier. 

Im AA-Entwurf ist dagegen das Misstrauen der Diplomaten spürbar, dass die Firmen nicht das tun wollen, was SPD, Grünen und FDP wollen. „Vor allem deutsche Schlüsselindustrien wie Automobilbau und Chemie setzen weiter stark auf China“, heißt es dort. „Dennoch ist es sowohl im volkswirtschaftlichen als auch im unternehmerischen Interesse, übergroße Risiken zu vermeiden bzw. zu ‚hedgen'“. Anders ausgedrückt: Das Baerbock-Ressort will die Firmen vor sich selbst retten. Deshalb werden Stresstests, neue Berichtspflichten und Investitionsprüfungen für in China tätige Konzerne vorgeschlagen. Im ebenfalls Grün-geführten Wirtschaftsministerium hatte man nach Protesten aus der Wirtschaft zumindest auf das Instrument der Investitionsprüfung in China verzichten wollen. 

FURCHT VOR EINEM BÜROKRATISCHEN MONSTER

Bei Unternehmen stößt dieser Ansatz auf Kopfschütteln. „Ein Stresstest wäre wieder ein bürokratischer Aufwand. Wir haben genug zu tun als Global Player. Und dann kommt wieder etwas, dazu noch aus unserem Heimatmarkt – und nur wir machen das, nicht unsere Wettbewerber“, kritisiert ein Vertreter eines großes deutschen Unternehmens mit starker Präsenz in China gegenüber Reuters. Andere sprechen von einem drohenden „bürokratischen Monster“.

Die kommenden Wochen bis zur Verabschiedung der China-Strategie im kommenden Jahr dürften deshalb von einem Ringen über die Härte des Kurses gegenüber Peking geprägt sein. „Auch wenn kein Decoupling mehr drinsteht, war es ja als Decoupling angedacht“, sagt der Firmenvertreter zu dem Entwurf. Jeder Zeile des Textes zeige das Misstrauen „gegen China und Marktteilnehmer wie uns“. Statt sich mit den Alternativen zu beschäftigen, „kriegen wir ein Strategiepapier, das unseren sehr wichtigen Handelspartner auf dem Schlipps tritt – ohne, dass wir vernünftige Alternativen geschaffen haben“. Decoupling und Deglobalisierung kommen nach Angaben von Scholz jedenfalls nicht infrage. 

„Cosco-Streit, die Zweite“ – Regierung ringt um China-Strategie

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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