Frankfurt, 19. Mai (Reuters) – Der Ferienflieger Condor will den Angriff der Lufthansa auf touristischen Strecken abwehren und nach der Corona-Krise zu alter Stärke zurückfinden. „Ich gehe davon aus, dass die Condor wachsen wird – wenn es nach mir geht, ziemlich deutlich“, sagte Condor-Chef Ralf Teckentrup in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Eine Flottenstärke von wieder 60 mittelfristig wäre „eine feine Nummer“. Durch die Sanierung nach der Pleite des früheren Mutterkonzerns Thomas Cook 2019 schrumpfte die Flotte um zehn Prozent auf 53 Flugzeuge. „Derzeit hat finanzielle Stabilität jedoch oberste Priorität. Sobald das geschehen ist, können wir auch wachsen.“ Dank Sanierung und produktiverer neuer Flugzeuge könne die Airline künftig 200 Millionen Euro Betriebsgewinn im Jahr machen.
Der Lufthansa macht der Airline-Chef schwere Vorwürfe, da deren Ferienflugtöchter Eurowings in Europa und Eurowings Discover auf der Langstrecke Condor immer mehr Konkurrenz machen. „Lufthansa hat die Eurowings Discover gegründet, weil sie gern die Condor vernichten will“, sagte der Manager. Die „Billigproduktion auf der Langstrecke“ des deutschen Marktführers werde die viel kleinere Condor vielleicht 30, 40 Millionen Euro Betriebsergebnis jährlich kosten. Beide Unternehmen überstanden die Corona-Krise nur mit staatlichen Finanzhilfen und müssen jetzt schnell wieder Geld verdienen. Die Lufthansa baut dafür ihr Tourismus-Flugangebot verstärkt aus, da sich ihr Kerngeschäft Geschäftsreisen viel langsamer erholt als Urlaubsreisen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hält Condor in dem schon länger schwelenden Streit vor, den üblichen Wettbewerb zu scheuen.
Eurowings Discover biete auf den gleichen Strecken, teilweise zu den gleichen Zeiten Flüge wie Condor an, auch auf wenig gefragten Routen wie von Frankfurt nach Anchorage/Alaska. Das sei kein Wettbewerb, sondern Verdrängung, sagte Teckentrup. Von Frankfurt aus konkurrierten die beiden Airlines auf sämtlichen rund 30 Kurz- und Mittelstrecken der Condor, vor der Pandemie nur auf einem Dutzend. Auf der Langstrecke rivalisierten sie um 15 Ziele, drei Mal mehr als früher. „Also wird es krachen“, sagte der Condor-Chef. Das heißt, auf manchen Strecken käme es zum Preiskampf. Die Airline will sich zudem neue Langstreckenziele suchen und anders als früher auf Volumenmärkte wie New York oder San Francisco setzen.
PROFITABEL IM NÄCHSTEN JAHR
Im laufenden Geschäftsjahr werde Condor wie alle Airlines rote Zahlen schreiben, da die starke Nachfrage im Sommer den miserablen Winter nicht ausgleichen könne. Der kommende Winter werde für die Branche besser laufen, wenn es keinen Rückschlag in der Corona-Pandemie gebe. Für das nächste, im Oktober beginnende Geschäftsjahr peilt Teckentrup schwarze Zahlen an. „Ich bin überzeugt, wir können da profitabel sein – unter der Annahme, das wird ein ordentlicher Winter wie vor Corona und es folgt ein ordentlicher Sommer wie vor Corona.“
Das Geschäftsjahr 2022/23 wird das letzte volle unter Teckentrups Führung, denn Ende nächsten Jahres hört der 64-Jährige nach fast zwei Jahrzehnten als Condor-Chefpilot auf. Ein Thema für seinen Nachfolger wird die weitere Modernisierung der betagten Flotte. Ab diesem Jahr wird bis 2024 auf der Langstrecke die Boeing 767 gegen 16 neue Airbus A330neo ausgetauscht. Danach soll die zurzeit 35 Maschinen große Kurz- und Mittelstrecke angepackt werden. Auf dieser fliegt Condor fast nur Airbus und könnte Teckentrup zufolge komplett auf Boeing umstellen. „Ich finde es grundsätzlich attraktiv, Flugzeuge von beiden Herstellern zu haben.“
Dabei hat auch der vor zwei Jahren eingestiegene neue Eigentümer, der Finanzinvestor Attestor mitzureden. Dass dieser langfristig engagiert bleibt, dafür spricht Teckentrup zufolge dessen Anlagehorizont, der nicht durch feste Rückzahlfristen seitens seiner Geldgeber wie Universitätsstiftungen begrenzt ist. „Bisher haben wir für jedes Problem eine gute Lösung gefunden, ich kann mich über nichts beklagen.“
Condor trotzt wachsender Konkurrenz der Lufthansa-Töchter
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