Berlin, 08. Sep – Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann kritisiert den Stresstest für Atomkraftwerke und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: „Wenn der Stresstest zu dem Ergebnis kommt, dass man in Niedersachsen statt des Kernkraftwerks Lingen im Notfall auch Ölkraftwerke auf Schiffen (…) einsetzen könnte, kann ich nur sagen: Diese angeblichen ‚power-barges‘ kennt an der Küste bisher kein Mensch“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in einem Interview mit Reuters. „Es gibt in unseren niedersächsischen Häfen zudem keine Infrastruktur, um sie nutzen zu können. Sie sind leider eine gefährliche Selbsttäuschung – Hamburg sieht dies übrigens genauso.“
Habeck hatte entschieden, alle drei noch laufenden Atomkraftwerke Ende 2022 vom Netz zu nehmen, zwei davon als Reserve zu halten und das AKW Lingen entgültig zu schließen. „Die Entscheidung zu Lingen ist eindeutig falsch und ideologisch geprägt“, sagte Althusmann. „Zwei leistungsfähige Kernkraftwerke in eine inaktive Reserve zu schicken, ist technisch nicht möglich. Dazu im Emsland das modernste und jüngste Kraftwerk vom Netz zu nehmen, ist völlig unsinnig. Wenn dann noch Atomstrom aus der Ukraine importiert würde, wäre das beschämend“ sagte der CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 9. Oktober.
Er sei strikt gegen einen „Ausstieg vom Ausstieg“. „Aber in dieser existenziellen Krise sollten die drei Kernkraftwerke noch zwei bis drei Jahren laufen. Dazu müssten jetzt Brennstäbe in Kanada bestellt werden.“ Alles andere wäre unverantwortlich.
Althusmann sieht die Atomfrage als eines der dominierenden Wahlkampfthemen: „Die Landtagswahl wird auch eine Abstimmung über die begrenzte Laufzeitverlängerung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke, somit ebenso über das Kraftwerk in Lingen.“ Die meisten Menschen verstünden nicht, wieso die sichersten Kernkraftwerke der Welt vom Netz genommen werden sollen, man aber gleichzeitig Gas verstrome oder Strom importieren müsse.
Er wies den Vorwurf der Grünen zurück, das AKW Lingen würde die Stromnetze zu Lasten der Erneuerbaren Energien „verstopfen“. „Wir verstromen derzeit in Deutschland 15 Prozent des vorhandenen Gases, obwohl wir gleichzeitig dringend Gas einsparen müssen. Das ist doch paradox. Warum nutzen wir nicht die jährlich etwa elf Terrawattstunden Strom des Kernkraftwerkes in Lingen weiter?“
Der Wirtschaftsminister hält nach der Wahl dennoch ein Bündnis mit den Grünen für möglich. „Die Regierungsoptionen der CDU werden durch die derzeitige Debatte um die befristete Weiternutzung der Kernkraftwerke nicht geschmälert.“ Eine Koalition mit den Grünen sei eine Option, wenn beide Seiten dies wollten. „Noch einmal in aller Klarheit: Ich will nicht zurück zur Kernkraft, stehe aber für eine befristete Weiternutzung.“ Er wolle Niedersachsen zum „Powerhaus“ für Erneuerbare Energien machen. Der Ausbau von Windstrom, Solar, Geothermie und Biomasse müsse mit voller Kraft vorangetrieben werden.
Auch ein Bündnis mit einem Juniorpartner SPD sei nicht ausgeschlossen. Mit der FDP habe die CDU in Niedersachsen lange gut regiert. „Aber sie leidet unter der Ampel und hat offensichtlich etwas die Orientierung verloren.“ In Umfragen liegt die CDU knapp hinter der SPD von Ministerpräsident Stephan Weil. SPD und Grünen haben angekündigt, zusammen regieren zu wollen.
CDU-Chef in Niedersachsen lehnt Stresstest-Ergebnis für AKW Lingen ab
Quelle: Reuters
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