San Francisco/Hamburg, 27. Jan (Reuters) – Rekordumsatz, Gewinnsprung und eine Rendite, die so manchen Premium-Autobauer in den Schatten stellt – der US-Elektroautospezialist Tesla setzt sich von der Konkurrenz ab. Tesla sei bereits das profitabelste Autounternehmen der Welt, schrieben die Analysten von Morgan Stanley in einem Kommentar zu den am Mittwoch nach US-Börsenschluss veröffentlichten Quartalszahlen.
Da die Produktionskosten durch radikal neue Fertigungstechniken in den kurz vor dem Anlauf stehenden Fabriken in Austin (Texas) und Grünheide bei Berlin sinken, werde sich Tesla nun auch zu dem Autounternehmen mit dem höchsten Cashflow mausern.
Andere Experten sehen das ähnlich: Wenn das weltweite Produktionsnetz von Tesla nach dem Start der neuen Fabriken rund laufe, werde Tesla mit Volkswagen, Daimler & Co um die Cash-Krone wetteifern, prognostiziert Frank Schwope von der NordLB. Die Ausnahmestellung dürfte aber nicht von Dauer sein, da sich mit Rivian und Nio neue Rivalen auf den Weg machten.
Auch die deutschen Autokonzerne fahren die Elektromobilität hoch. „Es wird nicht sein, dass Tesla auf Jahre hinaus uneinholbar ist“, sagte Schwope.
Tesla-Chef Elon Musk elektrisierte seine Fangemeinde bei der Vorlage der Zahlen erneut mit Aussagen zum automatisierten Fahren, das Tesla in den USA bereits in annähernd 60.000 Autos testet. Er erwarte, dass die Fahrzeuge in diesem Jahr die volle Selbstfahrfähigkeit erreichten, sagte der umtriebige Unternehmer, dessen Aktivitäten von E-Autos und unterirdische Transportsysteme bis hin zu Plänen für Mars-Reisen reichen. Derzeit müssen die Tesla-Fahrer noch am Steuer sitzen, um bei Bedarf einzugreifen. „Ich wäre schockiert, wenn wir in diesem Jahr kein vollständiges selbstfahrendes, sichereres Fahren als Menschen erreichen würden“, sagte Musk.
Die Technik ist allerdings nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass die von Tesla propagierte „Full Self-Driving“-Technologie (FSD) seinem Namen nicht gerecht werde und Prototypen ernsthafte Sicherheitsmängel aufwiesen.
TESLA TROTZT CHIPKRISE
Die grassierende Chipknappheit, die vielen in der Branche zu schaffen macht, schlug bei Tesla nicht so stark durch. Der Konzern verwendet weniger knappe Halbleiter und hat Software neu geschrieben, um auf elektronische Bauteile auszuweichen, die nicht so stark gefragt sind. Im Schlussquartal vervierfachte Tesla den Betriebsgewinn (EBIT) auf 2,6 Milliarden Dollar. Die operative Rendite sprang auf 14,7 Prozent. Der Umsatz kletterte zugleich um 65 Prozent auf einen Rekord von 17,7 Milliarden Dollar. Damit übertraf Tesla die Erwartungen der Analysten, die gut eine Milliarde weniger angesetzt hatten.
Musk bekräftigte den Plan, die Auslieferungen jährlich um 50 Prozent oder mehr zu steigern. 2022 sollen es mehr als 1,4 Millionen Wagen werden nach 936.000, die Tesla im vergangenen Jahr auslieferte. Das Ziel sei selbst mit den bestehenden Fabriken in Fremont in Kalifornien und Shanghai erreichbar. Tesla warnte in seinem Bericht zugleich, dass die weltweiten Lieferprobleme in diesem Jahr anhalten und die Produktion weiter belasten dürften. Wegen der Engpässe hätten die Fabriken bereits mehrere Quartale unterhalb ihrer Kapazität produziert. Die Tesla-Aktie legte dennoch nachbörslich ein Prozent zu, nachdem sie zunächst gefallen war.
DEN ATEM IM NACKEN
Mit den für dieses Jahr avisierten Auslieferungen käme Tesla in Reichweite der VW-Premiumtochter Audi, die 2021 fast 1,7 Millionen Fahrzeuge an die Kunden brachte. Mercedes-Benz wäre nicht mehr allzu weit entfernt. Die Marke von zwei Millionen Autos halten der Analyst Adam Jones und seine Kollegen von Morgan Stanley für dieses Jahr allerdings für illusorisch. Investoren, die darauf setzten, sollten ihre Erwartungen herunterschrauben. „Aber wir glauben, dass diejenigen, die im Bereich von 1,3 bis 1,5 Millionen (Einheiten) liegen, keinen Grund zur Sorge haben“, schrieben die Analysten.
Philippe Houchois von Jefferies rechnet damit, dass die Produktionskapazitäten durch die neuen Werke in Austin und Grünheide um 600.000 Fahrzeuge steigen werden. Damit würde Tesla eine Gesamtkapazität von annähernd zwei Millionen Einheiten erreichen. Der Autoanalyst schätzt, dass die beiden Fabriken im Februar beziehungsweise April ans Netz gehen und ihre Produktion schrittweise erhöhen werden. Wie schnell Tesla ein Werk hochfahren kann, zeigt die Fabrik in Shanghai. Dort rechnet Houchois schon wenige Jahre nach dem Start mit 710.000 Fahrzeugen. Das Füllen dieser Kapazitäten sei angesichts der Lieferengpässe keine Selbstverständlichkeit. Angesichts der boomenden Nachfrage nach E-Autos und des wachsenden Auftragsbestands erwartet Houchois in diesem Jahr dennoch Auslieferungen von 1,5 Millionen Fahrzeugen.
Cashmaschine Tesla kommt ins Rollen – E-Autos gefragt
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