UPDATE Berlin, 01. Dez – Deutschland hat nach jahrelangem Zögern das Ceta-Freihandelsabkommen der EU mit Kanada ratifiziert. Für das entsprechende Gesetz votierten am Donnerstag im Bundestag 559 Abgeordnete. 110 Parlamentarier stimmten dagegen. Die Wirtschaft erhofft sich einen Schub im Handel mit dem nordamerikanischen Land und weitere Abkommen mit anderen Staaten wie Chile und Mexiko. Kritiker monieren, mit dem Abkommen würden Sonderrechte für ausländische Investoren geschaffen sowie Firmengewinne über Klima- und Umweltbedürfnisse gestellt.
Ceta kann allerdings erst endgültig in Kraft treten, wenn alle 27 EU-Mitgliedsstaaten grünes Licht gegeben haben. Viele Länder fehlen dafür noch, unter anderem Italien und Frankreich. Die Verhandlungen über das Abkommen hatten beide Seiten 2016 abgeschlossen. Seit September 2017 wird es vorläufig angewendet. Damit gibt es für 98 Prozent aller Waren, die zwischen der EU und Kanada gehandelt werden, keine Zölle mehr. Laut Industrieverband DIHK fallen für europäische Unternehmen pro Jahr rund 500 Millionen Euro an Zollgebühren weg, der FDP zufolge sind 700.000 Jobs in der EU entstanden durch die vorläufige Anwendung des Ceta-Abkommens. Kanada hat die Ratifizierung bereits abgeschlossen.
Der Präsident des deutschen Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, sprach von einem überfälligen Schritt. „Er muss der EU jetzt neuen Schwung in der Handelspolitik verleihen. Deutschland und die EU brauchen offene Märkte, gerade in Zeiten des zunehmenden Protektionismus.“ Ähnlich äußerte sich der Automobilverband VDA: „Wir müssen unsere Zusammenarbeit mit anderen Ländern ausbauen und intensivieren“, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Es brauche mehr Investitions- und Handelsabkommen sowie mehr Energie- und Rohstoffpartnerschaften. Der Chemieverband VCI nannte als mögliche Beispiele die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sowie Australien, Südostasien, Indien, Afrika und auch die USA. „Ceta sollte nur ein erster Schritt auf dem Weg zum freien Handel sein.“
2021 wurden nach Kanada deutsche Güter im Wert von zehn Milliarden Euro exportiert, die Importe summierten sich auf 6,2 Milliarden. Vom gesamten deutschen Handelsvolumen sind das allerdings nur 0,6 Prozent. „Wir verdanken dem Abkommen, dass die Ausfuhren nach Kanada in den letzten fünf Jahren um mehr als ein Viertel gestiegen sind“, sagte der Präsident des Großhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. „Selbst 2020 gab es trotz der Corona-Pandemie einen Zuwachs von über 15 Prozent. Ceta hat insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen geholfen, nach Kanada zu exportieren und sich dort zu etablieren.“
WIE STRENG SOLLTE DEUTSCHLAND SEIN?
Die Ampel-Koalition strebt weitere Handelsabkommen an. Vor allem die Grünen und die SPD pochen aber darauf, zwingend Nachhaltigkeitskriterien – beispielsweise Auflagen zum Umweltschutz und Mindestarbeitsnormen – in neuen Verträgen zu verankern. „Wer sie nicht einhält, muss mit Sanktionen rechnen“, sagte Grünen-Politiker Andreas Audretsch. Ähnlich hatte sich zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geäußert, der zudem einen schärferen Kurs gegen China – einen der wichtigsten Handelspartner der deutschen Industrie – fahren will. BGA-Präsident Jandura forderte, Freihandelsabkommen nicht mit moralischen Wertevorstellungen zu überfrachten. „Wenn schon ein Abkommen mit Kanada auf solche Hürden stößt, dann fürchte ich Schlimmes für die anderen.“
Die Ampel strebt unter anderem einen zügigen Abschluss der Verhandlungen mit Chile und Mexiko an. Die Handelsbeziehungen der EU und der USA werden derzeit durch riesige Subventionen für in den USA produzierende Firmen überschattet.
Hier sind Spitzenpolitiker der Ampel-Koalition skeptisch, ob eine Neuauflage der Verhandlungen gelingen kann. „Mir ist in Washington signalisiert worden, dass ein Handelsabkommen mit der EU aktuell kein Thema ist“, sagte SPD-Co-Chef Lars Klingbeil zuletzt der Nachrichtenagentur Reuters. Bis zur Präsidentenwahl 2024 liege der Fokus auf den USA selbst. „Trotzdem sollten wir dieses Angebot machen, die Hand Richtung Washington ausstrecken.“ Auch Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, die USA seien derzeit nicht zu Verhandlungen bereit.
Bundestag stimmt doch noch für Ceta-Abkommen – Wirtschaft hofft auf mehr Handel
Quelle: Reuters
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