Frankfurt, 08. Nov – Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel angesichts des anhaltenden Inflationsschubs von ihrem geldpolitischen Straffungskurs nicht zu früh abkehren. „Je länger die Inflation hoch bleibt, desto höher ist das Risiko, dass die längerfristigen Inflationserwartungen steigen“, sagte Nagel am Dienstag auf einer Veranstaltung der Bundesbank zur Bankenaufsicht in Frankfurt.
Für die Geldpolitik wäre es dann ungleich schwieriger, Preisstabilität wiederherzustellen. „Daher werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass wir als EZB-Rat keinesfalls zu früh nachlassen, dass wir die geldpolitische Normalisierung weiter hartnäckig vorantreiben.“ Dies gelte auch dann, wenn die Notenbank-Schritte die Wirtschaftsentwicklung dämpfen.
In Deutschland sei die Inflation seit September zweistellig, sagte Nagel. Das seien die höchsten Raten seit über 70 Jahren. Im laufenden Jahr werde die Teuerung nach europäischer Messung (HVPI) voraussichtlich über 8,5 Prozent liegen. Noch im Oktober hatte die Bundesbank für 2022 eine Rate von über 8,0 Prozent vorausgesagt. Und für das kommende Jahr erwartet Nagel immer noch eine Teuerung von mehr als sieben Prozent in Deutschland. „Dabei bestehen deutliche Aufwärtsrisiken angesichts der Anspannungen auf den Energiemärkten.“
Weitere Zinserhöhungen sind Nagel zufolge nötig, um die Inflationsrate zurück auf das EZB-Ziel von zwei Prozent zu drücken. „Der EZB-Rat wird auch die hohen Anleihebestände in den Blick nehmen,“ fügte er hinzu. „Sie stehen derzeit für fast fünf Billionen Euro.“ Durch die jahrelangen Anleihenkäufe ist die Notenbankbilanz der EZB inzwischen auf rund neun Billionen Euro angeschwollen.
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos erwartet, dass die Währungshüter mit dem Abbau der Bestände im kommenden Jahr starten werden. „Wir werden damit früher oder später beginnen, ganz sicher 2023,“ sagte de Guindos in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit „Politico“. Über die Ausgestaltung und den Zeitplan werde die EZB im Dezember beraten.
„Quantitative Straffung ist auch ein Teil des Normalisierungsprozesses der Geldpolitik, und wir werden mit viel Umsicht und Vorsicht vorgehen“, sagte de Guindos. Eine Verringerung der Notenbank-Bilanz über einen Abbau der Anleihenbestände wird in der Fachwelt als „quantitative Straffung“ bezeichnet. Die Euro-Notenbank hat dabei zunächst die Anleihenbestände aus dem älteren Anleihenkaufprogramm APP im Blick, mit dem sie in den Jahren ab 2015 die Konjunktur und die Inflation anschieben wollte.
Im Dezember soll EZB-Präsidentin Christine Lagarde zufolge über die wichtigsten Grundsätze für eine Verringerung der geldpolitischen APP-Anleihenbestände entschieden werden. Aktuell werden die Gelder aus auslaufenden Anleihen noch vollständig reinvestiert.
Bundesbank-Präsident warnt vor zu schnellem Ende der EZB-Zinserhöhungen
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von Daniel Nebreda auf Pixabay
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