UPDATE Frankfurt, 22. Nov – Die EZB wird aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel voraussichtlich in den ersten Monaten des neuen Jahres mit dem Abbau ihrer billionenschweren Bilanz beginnen. Auf der Dezember-Zinssitzung sei ihm ein gemeinsames Verständnis der Euro-Währungshüter wichtig, dass der Bilanzabbau zur geldpolitischen Straffung gehöre, sagte Nagel am Montagabend im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). „Und dann gehe ich fest davon aus, dass das zu Beginn des Jahres 2023 im ersten Quartal dann auch losgehen wird.“ Auf dem Zinstreffen der EZB am 15. Dezember erwartet Nagel zudem einen deutlichen Zinsschritt.
Die Bilanz der Euro-Notenbank ist auf inzwischen rund neun Billionen Euro angeschwollen. Allein die angehäuften Anleihenbestände liegen bei rund fünf Billionen Euro. Beim Bilanzabbau hat Nagel zunächst das ältere Ankaufprogramm APP im Blick, mit dem die EZB in den Jahren nach 2015 die Konjunktur anschieben wollte. Bislang ersetzt die EZB auslaufende Bonds aus diesem Programm noch vollständig. Nagel zufolge könnte nun damit begonnen werden, auslaufende Bonds nicht mehr vollständig zu ersetzen. „Das bietet sich auch geradezu exemplarisch an, für einen graduellen Abbau der Bilanz.“
Das Pandemie-Programm PEPP werde die EZB dann später angehen. „Natürlich muss man da irgendwann ran, aber wenn man mit dem APP-Programm jetzt anfängt, ist das ein wichtiger Schritt“, sagte Nagel. Bisher stellt die EZB in Aussicht, auslaufende Anleihen aus dem PEPP-Programm noch bis mindestens Ende 2024 wieder vollständig zu ersetzen. Der Bilanzabbau werde insgesamt eine sehr lange Wegstrecke sein, sagte Nagel.
NAGEL: „AUCH 50 BASISPUNKTE SIND STARKER ZINSSCHRITT“
Für die EZB-Sitzung im Dezember erwartet der Bundesbank-Präsident eine kräftige Zinserhöhung. „Wir sind relativ robust vorangegangen und werden jetzt im Dezember noch einmal robust sein müssen, immer datenabhängig.“ Zu dem Zinstreffen werden den Währungshütern neue Projektionen der Notenbank-Volkswirte zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung vorliegen. An der Diskussion, ob eine Erhöhung um 0,50 oder um 0,75 Prozentpunkte angemessen sei, habe er sich nicht beteiligt. Dies sei auch nicht hilfreich. „Auch 50 Basispunkte sind ein starker Zinsschritt“, sagte Nagel. Aus seiner Sicht liegt die EZB mit dem aktuellen Zinsniveau noch relativ weit vom sogenannten restriktiven Bereich entfernt, bei dem eine Volkswirtschaft gebremst wird.
Die EZB hatte im Juli die Zinswende eingeleitet und hat ihre Schlüsselsätze inzwischen bereits drei Mal um zusammengenommen zwei Prozentpunkte angehoben. Im September und Oktober erhöhte sie die die Zinsen sogar außergewöhnlich kräftig um jeweils 0,75 Prozentpunkte. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank bekommen, liegt damit aktuell bei 1,5 Prozent. Zum Vergleich: Das restriktive Zinsniveau wird von Ökonomen beim Einlagensatz derzeit bei oberhalb von zwei Prozent angesiedelt.
Bis auf welche Zinshöhe die EZB ihre Schlüsselsätze im Kampf gegen die hohe Inflation anheben muss, sei offen. „Ich kann ihnen noch nicht sagen, wo die Zugfahrt enden wird“, sagte Nagel. Bei Inflationsraten von deutlich über zehn Prozent müsse noch was passieren. Die Inflation im Euro-Raum war im Oktober auf 10,6 Prozent geklettert – das höchste Niveau seit Beginn der Währungsunion. Sie liegt damit mehr als fünf Mal so hoch wie das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent.
Nagel hält es für richtig, dass die EZB sich angesichts der unsicheren Konjunkturlage nicht mehr so stark auf ökonomische Modelle verlässt und mehr auf aktuelle Daten und die Marktpreise achtet. Mit einem raschen Abklingen der Inflation rechnet er nicht. Die Inflation werde 2023 weiter hoch bleiben, sagte er. „Und möglicherweise auch in 2024 werden wir noch nicht da sein, wo wir eigentlich hinwollen, nämlich wieder nahe an den zwei Prozent.“ Die Inflation sei eine hartnäckige Veranstaltung. „Da müssen wir eben noch ein bisschen hartnäckiger sein.“
Bundesbank-Präsident erwartet Start des Bilanzabbaus im ersten Quartal
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von Eric Spaete auf Pixabay
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