London/Frankfurt, 11. Okt – Die Notenbank in London bekämpft mit erneuten Not-Anleihekäufen Gefahren für die Finanzstabilität und steuert auf eine kräftige Zinserhöhung zu. Zur Beruhigung der Anleger kündigte die Bank of England (BoE) am Dienstag den Kauf inflationsgeschützter Papiere an. Diese werden in der Regel von Pensionsfonds gehalten.
Der neue britische Finanzminister Kwasi Kwarteng hat im vergangenen Monat trotz Rezessionssorgen der Notenbank mit Plänen für schuldenfinanzierte Steuersenkungen Zweifel an der Finanzierbarkeit dieser Entlastungen geschürt. Milliardenschwere Geldspritzen der BoE beruhigten die Lage nur kurzfristig. In mehreren Wellen kam es daraufhin immer wieder zu einem Ausverkauf am Anleihenmarkt – auch jüngst wieder. Laut der Notenbank entstand dadurch eine „materielle Gefahr“ für die Finanzstabilität, der sie mit den zusätzlichen Notmaßnahmen begegnen will.
Regierungschefin Liz Truss ließ mitteilen, diese stünden im Einklang mit dem Ziel der Finanzstabilität. Die Regierung stehe in regelmäßigem Kontakt mit der Notenbank, die die Märkte in den kommenden Tagen genau beobachten werde. Die Frage, ob das vorübergehende Kaufprogramm wie geplant am 14. Oktober enden soll, will die Regierung demnach der unabhängigen Zentralbank überlassen.
Unterdessen wurde aus der Altersversorgungsbranche der Ruf laut, die BoE solle ihre Stützungsmaßnahmen bis zum Ende des Monats und möglicherweise darüber hinaus fortsetzen. „Seit der Intervention der Bank of England war es ein zentrales Anliegen der Pensionsfonds, dass die Ankaufphase nicht zu früh beendet werden sollte“, betonte der Branchenverband Pensions and Lifetime Savings Association (PLSA).
Chefvolkswirt Holger Schmieding von der Berenberg Bank in London geht davon aus, dass die BoE mit ihren Stabilisierungsmaßnahmen Erfolg haben wird. „Aber die Notwendigkeit, dass sie eingreift, ist ein Zeichen dafür, wie verunsichert die britischen Märkte nach Trussonomics sind“, fügte er hinzu. Mit Trussonomics wird der wirtschaftspolitische Kurs der konservativen Premierministerin umschrieben, die mit Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln will. Offen ist, ob durch die Pläne die Verschuldung weiter ansteigt oder sich die Maßnahmen alleine tragen, wie es die Regierung hofft.
„CHAOTISCH UND PANISCH“
Am Dienstag emittierte Großbritannien inflationsgebundene Anleihen im Volumen von 900 Millionen Pfund, die 2051 fällig werden. Die Auktion war 2,75-fach überzeichnet. Allerdings musste das Land Investoren eine reale Rendite von 1,551 Prozent bieten, so viel wie zuletzt im Oktober 2008.
Gleichzeitig ging das Pfund Sterling erneut auf Talfahrt und verlor bis zu 0,5 Prozent auf 1,0996 Dollar. Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, kritisierte, das Krisenmanagement der BoE wirke „chaotisch und panisch“. Die BoE werde sicher noch öfter eingreifen müssen, um Schlimmeres zu verhindern.
Die Notenbank steht auch geldpolitisch unter Zugzwang, da die Inflationsrate im Zuge der Energiekrise mit zuletzt 9,9 Prozent weit über das Stabilitätsziel der Währungshüter von 2,0 Prozent hinausgeschossen ist. Die BoE rechnet damit, dass die Wirtschaft im Sommerquartal leicht geschrumpft sein dürfte. Da die Wirtschaftsleistung bereits im Frühjahr zurückgegangen war, würde Großbritannien somit in einer technischen Rezession stecken – also zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Folge.
Im Kampf gegen die hohe Inflation im Land hat die Notenbank den Leitzins von 0,1 Prozent im vergangenen Dezember auf ihr aktuelles Niveau von 2,25 Prozent angehoben. An den Finanzmärkten wird für den Zinsentscheid am 3. November auf eine Erhöhung um einen vollen Prozentpunkt spekuliert. Einige Investoren halten sogar einen Anstieg um 1,25 Prozentpunkte für möglich. Sie sehen die Wahrscheinlichkeit hierfür bei etwa 25 Prozent. Mit einem solchen drastischen Schritt könnte sich die BoE auch gegen die inflationären Auswirkungen von Kwartengs Steuersenkungen stemmen.
BoE durch Trussonomics unter Zugzwang – Mega-Zinsschritt naht
Quelle: Reuters
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