Berlin, 11. Jan (Reuters) – Der Mangel an IT-Experten verschärft sich nach Einschätzung der deutschen Digitalwirtschaft massiv und droht das Wachstum der Branche auszubremsen. Derzeit seien 96.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg am Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Die Zahl werde 2022 auf deutlich über 100.000 steigen. Bis zu 130.000 offene Stellen seien derzeit denkbar, genaue Zahlen aber noch nicht bekannt. Der deutsche Markt für IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik wird laut Bitkom dieses Jahr um 3,6 Prozent auf 184,9 Milliarden Euro zulegen. Ohne Fachkräftemangel wäre möglicherweise ein Prozent mehr drin, so Berg.
„Wir haben ein riesiges Problem“, betonte der Verbandspräsident. Gerade in schnell wachsenden Software-Unternehmen, aber auch in der Breite fehlten Fachkräfte. Die Firmen fänden einfach nicht genügend Mitarbeiter und würden schon Abstriche bei den Anforderungen an die Bewerber machen. Diese wiederum können ihre Ansprüche hochschrauben: „Die Gehälter schießen durch alle Decken durch“, sagte Berg.
Laut Bitkom sind in der Branche aktuell 1,25 Millionen Menschen beschäftigt. Bis Jahresende würden voraussichtlich 39.000 zusätzliche Jobs geschaffen. „Die Unternehmen könnten noch weitaus mehr Personal einstellen, aber es fehlt an Spezialistinnen und Spezialisten“, so Bitkom-Präsident Berg. „Das bedeutet weniger Wachstum, weniger Wertschöpfung und weniger Innovation – und bremst uns bei der Digitalisierung aus und vergrößert den Abstand zu den Vorreitern wie den USA.“
LIEFERENGPÄSSE – CHIPS WERDEN AUS KÜHLSCHRÄNKEN AUSGEBAUT
Auch Lieferengpässe belasten die Branche, wobei vor allem Halbleiter für einfache Anwendungen fehlen, wie Berg erklärte. So gebe es Anekdoten, nach denen eine Firma bereits zu Hunderten Kühlschränke aufgekauft und die darin enthaltenen Chips ausgebaut und in höherwertige Produkte eingebaut habe, sagte der Verbandspräsident. „Das zeigt, was das für Blüten treibt.“ Corona betrachtet Bitkom dagegen als Herausforderung und Chance zugleich. „Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung Schwung gegeben und das belebt den Markt“, sagte Berg.
So wuchs das Umsatzvolumen 2021 um 3,9 Prozent auf 178,4 Milliarden Euro, was Bitkom vor allem auf das gute Geschäft mit IT-Hardware und Software zurückführte. Im globalen Maßstab spiele der deutsche Markt eine untergeordnete Rolle: Deutschlands Anteil an den weltweiten Ausgaben für Informations- und Kommunikationstechnik liege 2022 voraussichtlich bei 3,9 Prozent, rechnete Bitkom vor. Er gehe von Jahr zu Jahr zurück, weil die Investitionen und Ausgaben in anderen Ländern schneller wachsen würden – neben den USA (+4,7 Prozent) besonders im asiatischen Raum. Wachstumsspitzenreiter sind demnach Indien (+9,1 Prozent) und China (+5,3 Prozent).
Bitkom – Verschärfter Fachkräftemangel bremst Wachstum aus
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Foto: Bitkom-Präsident Achim Berg / Fotoquelle: Bitkom e.V. www.bitkom.org
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