Berlin, 13. Dez – Danke, danke, danke – mit diesen Worten lässt sich der Auftritt des polnischen Präsidenten Andrzej Duda am Montag im Schloss Bellevue am besten zusammenfassen. Denn Duda war erkennbar zu einer Charmeoffensive nach Berlin zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gereist, auf der er die Wichtigkeit der bilateralen Beziehungen betonte. Und das ist aus Sicht der Bundesregierung und vieler Experten auch bitter nötig. „Denn seit einigen Wochen läuft in Polen der inoffizielle Wahlkampf für die Parlamentswahlen in 2023“, sagt Agniezska Lada-Konefal, stellvertretende Direktor des deutsch-polnischen Instituts in Darmstadt, zu Reuters.
„Die PiS nutzt jede Chance, um antideutsche Töne auszusenden. Das wird sich noch verstärken.“ Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Beziehungen zu Polen, das mittlerweile der fünftwichtigste Handelspartner Deutschlands ist: „Wir sind in einer Phase der Verödung der Beziehungen“, meint Kai-Olaf Lang, Polen-Experte, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Die Analyse ist in der Bundesregierung ähnlich. Bis zur Wahl werde sich nicht mehr viel tun, heißt es in Regierungskreisen. Gemeinsame Initiativen mit Warschau seien nicht möglich. „Man muss sich immer bewusst sein, dass alles gegen Deutschland oder für den Wahlkampf genutzt werden könnte“, sagt ein Regierungsvertreter. Man habe sich in der Regierung deshalb darauf verständigt, zwar konstruktive Angebote wie etwa die Stationierung deutscher Patriot-Luftabwehrsysteme zu machen, aber nicht auf Provokationen oder unfreundliche Töne von nationalkonservativen PiS-Politikern zu reagieren.
Dabei gab es in Berlin durchaus Verärgerung. Dass die PiS-Regierung das Thema Reparationen für das Wüten von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg bewusst wieder hochzieht, kommt nicht gut an. Dass die polnische Regierung das vertrauliche Patriot-Angebot erst intern begrüßte, aber der Verteidigungsminister dann nach einer Intervention des sehr deutschlandkritischen PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski eine Ablehnung twitterte und eine Stationierung in der Ukraine vorschlug, wurde ebenfalls als Foulspiel empfunden. Denn kein Nato-Land – auch nicht Polen – hat in der Ukraine eigene Soldaten stationiert. Doch Kanzler Olaf Scholz blieb freundlich – und wiederholte einfach das Angebot an Polen.
„Das deutsche Patriot-Angebot war genial, weil es zu gut war, um es abzulehnen“, sagt Europa-Expertin Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin. Sie verweist wie Lada-Konefal darauf, dass das deutsche Angebot in der polnischen Bevölkerung auf breite Zustimmung stieß. Dies führte wohl zum Einlenken der polnischen Regierung – und der Dankes-Reise von Duda, der sich als Stabilitätsfaktor für die bilateralen Beziehungen präsentierte.
KEIN ANSPRECHPARTNER
Das ändert aber nach Ansicht von Puglierin nichts daran, dass zwischen Berlin und Warschau derzeit wenig geschieht. „Die Bundesregierung hat mit der jetzigen Regierung in Warschau einfach keinen Ansprechpartner“, meint sie. Die PiS-Regierung habe im Wahlkampf kein Interesse an gemeinsamen Initiativen mit Berlin. Auch Lada-Konefal glaubt, dass die PiS-Führung mit einem antideutschen Ton bewusst einige Wählergruppen ansprechen will. „Die PiS kann nicht sicher sein, ob sie bei den Wahlen eine Mehrheit bekommt“, erklärt sie den Kurs.
Deshalb werbe die Regierungspartei gegenüber verschiedenen Wählergruppen mit ganz unterschiedlichen Argumenten, für die PiS-Hardliner eben mit einer deutschlandkritischen Tonlage. „Aber die Sozialleistungen sind vielen PiS-Wählern viel wichtiger als Deutschland. Präsident Duda kam nach Berlin, um der moderaten Wählerschaft zu zeigen: Es ist nicht so schlimm“, sagt Lada-Konefal.
„Deshalb ist schon ein großer Unterschied, wer in Polen gewählt wird. Mit der Opposition wäre eine Zusammenarbeit sicher einfacher“, meint ECFR-Expertin Puglierin. Sie erwartet aber auf jeden Fall eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen nach den Parlamentswahlen. Auch die PiS müsste bei einem Wahlsieg konstruktiver werden. Denn Polen sei sowohl bei der Ukraine-Hilfe oder dem nötigen Umbau der Energieversorgung auf Deutschland angewiesen.
MISSTRAUEN UND KRITIK AN DEUTSCHLAND
Vor einer Fehlinterpretation warnen aber alle befragten Experten. „Es gibt auch bei der polnischen Opposition und in ganz Osteuropa Kritik an Deutschland und Misstrauen, ob die Zeitenwende wirklich ernst gemeint ist“, meint Puglierin. „Es gibt in Polen einen Konsens über die Russland-Politik, Nord Stream 2 und die Ukraine“, betont SWP-Experte Lang. „Bei diesen Themen ist die europafreundliche Opposition ähnlich kritisch wie die PiS. Es gibt Misstrauen gegenüber Deutschland.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte deshalb, dass die Stärkung der Ostflanke der Nato zentrales Ziel der Bundesregierung sei. Und Scholz verweist immer wieder nicht nur auf die Aufstockung der Mittel für die Bundeswehr, sondern auch auf die Stationierung eines Patriot-Systems in der Slowakei, die Bundeswehrsoldaten in Litauen und die Luftraumüberwachung etwa im Baltikum.
Ausdrücklich wird in Regierungskreisen betont: „Wir hätten gerne viel bessere Beziehungen zu Warschau, aber zum Tango gehören immer zwei.“ Eine Annäherung von Berlin und Warschau sei schon deshalb wichtig, um die Gräben in der Europäischen Union zu überbrücken. Allerdings gibt es dann noch den Streit Polens mit der EU-Kommission über Rechtsstaatsprinzipien – und da teilt die Ampel-Regierung klar die Position Brüssels.
Berlin besorgt wegen Polens Wahl – „Sind in Phase der Verödung“
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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