Frankfurt, 11. Jun (Reuters) – Im jahrelangen Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken seines Unkrautvernichters Glyphosat steht Bayer vor einer wegweisenden Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof der USA wird voraussichtlich am Montag bekanntgeben, ob er den Berufungsantrag des Agrar- und Pharmakonzerns in einem wichtigen Fall annimmt. Die Chancen dafür stehen aber schlecht: Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die US-Regierung vor dem Supreme Court vertritt, hat dem Gericht davon abgeraten. Bayer hofft zwar weiter auf eine Überprüfung des Falls und eine Korrektur des Urteils zu seinen Gunsten. Das Gericht folgt aber in der Regel den Empfehlungen des Generalstaatsanwalts.
Am Donnerstag waren beim Supreme Court Beratungen über den Berufungsantrag angesetzt. Die Entscheidung könnte schon am Montag bekannt gegeben werden. Konkret geht es um den Fall des Kaliforniers Edwin Hardeman, der seine Krebserkrankung auf die jahrelange Verwendung des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup zurückführte und dem letztlich 25 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen worden waren. Bayer hatte Mitte 2021 die Überprüfung des Urteils beim Supreme Court beantragt, nachdem es mit seiner Berufung in der Vorinstanz scheiterte.
Die Analysten der Credit Suisse rechnen nach dem negativen Feedback der Generalstaatsanwältin nur mit geringen Erfolgsaussichten für Bayer, da jährlich ohnehin schon weniger als ein Prozent der Fälle vom Supreme Court angenommen werden. Dass dieser im Dezember die US-Regierung zu einer Einschätzung aufgefordert hatte, ob er den Fall annehmen soll, hatte zunächst darauf hingedeutet, dass die Richter an einer Anhörung interessiert sind. Für den Fall, dass das Gericht den Fall nicht annimmt oder im Sinne der Kläger urteilt, hatte Bayer schon zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Zudem wurde ein umfassender Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten aufgelegt, um in den kommenden 15 Jahren mit Forderungen neuer Kläger umzugehen.
Das Unternehmen will demnach Krebspatienten, die eine Klage gegen Bayer erwägen und bestimmte Kriterien erfüllen, die Teilnahme an einem Programm anbieten, über das sie auf schnellem Weg eine Entschädigung erhalten sollen, ohne dafür jahrelang den Rechtsweg beschreiten zu müssen. Da die überwiegende Mehrheit der Kläger die Roundup-Produkte zur Unkrautvernichtung privat eingesetzt hat, will Bayer ab 2023 keine glyphosathaltigen Produkte mehr an Privatkunden verkaufen.
Eine Entscheidung des Supreme Courts zugunsten Bayers würde nach Einschätzung von Vorstandschef Werner Baumann mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten im Grunde beenden. Für ein Urteil im Sinne des Unternehmens sah Baumann gute Gründe, da die US-Umweltschutzbehörde EPA selbst Warnhinweise vor möglichen Krebsgefahren verboten hat. Sie befand, dass glyphosatbasierte Unkrautvernichter sicher genutzt werden können und nicht krebserregend sind. Daher ist Bayer zufolge eine Krebswarnung auf den Produkten falsch und irreführend und wird durch das relevante Bundesgesetz ausgeschlossen.
Die Klagewelle in den USA hatte sich der Konzern mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat- und Roundup-Entwicklers Monsanto eingehandelt. Bislang hat Bayer drei Prozesse in erster Instanz mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen verloren und in allen bisherigen Berufungsverfahren Niederlagen erlitten, darunter auch im Fall Hardeman. In einem weiteren dieser Fälle, dem des Ehepaars Pilliod, ist das Unternehmen ebenfalls bis vor den Supreme Court gezogen und beantragte im März eine Überprüfung des Falls. Eine Entscheidung des Gericht über die Annahme des Antrags erwartet Bayer ebenfalls noch in diesem Sommer. 2021 hatte der Konzern erstmals auch zwei Glyphosat-Prozesse gewonnen, zuletzt auch ein drittes Verfahren.
Die Vorwürfe gegen das Herbizid hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Allein die Krebsforschungsagentur IARC bewertete den Wirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger. Um die Klagewelle vom Tisch zu bekommen, hatte Bayer im Sommer 2020 einen Vergleichsplan über 11,6 Milliarden Dollar bekanntgegeben. Zuletzt standen noch für rund 31.000 der insgesamt 138.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus.
Bayer vor wichtigem Gerichtsentscheid im Glyphosat-Streit
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