Berlin, 29. Jul (Reuters) – Die krisengeschüttelte Deutsche Bahn ist dank eines Milliarden-Gewinns ihrer Logistik-Tochter Schenker und der Rückkehr der Passagiere nach der Corona-Krise wieder optimistischer. Im Gesamtjahr rechne man nun wieder mit einem Milliarden-Gewinn, teilte der Staatskonzern am Donnerstag in Berlin mit. Zuvor hatte er nur auf eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen gehofft. Grund ist, dass die Bahn im ersten Halbjahr aufgrund eines Schenker-Betriebsgewinn von fast 1,2 Milliarden Euro insgesamt wieder in die Gewinnzone kam. Auch der Fernverkehr mit IC und ICE erholte sich trotz Problemen bei der Pünktlichkeit. Der Konzern erzielte so unterm Strich gut 420 Millionen Euro Gewinn, nachdem er im Vorjahreszeitraum noch ein Minus von 1,4 Milliarden eingefahren hatte, wie die Bahn einen Reuters-Bericht von Mittwoch bestätigte.
„Die Trendwende ist gelungen: Die Nachfrage boomt und wir schreiben wieder schwarze Zahlen“, sagte Bahnchef Richard Lutz. Die internationale Logistik laufe hervorragend, die Passagiere kehrten zurück und es seien noch nie soviele ICE unterwegs wie jetzt. Unakzeptabel sei allerdings die Pünktlichkeit. Fast jeder dritte Zug war im ersten Halbjahr mehr als fünf Minuten zu spät. Die Explosion der Energiekosten treffe die Bahn – einen der größten Stromverbraucher Deutschlands – aber hart, merkte Finanzvorstand Levin Holle an. „Wir können uns nicht auf Dauer dem Preistrend verschließen“, sagte er zu möglichen Preiserhöhungen.
AUCH UMSATZ LEGTE KRÄFTIG ZU
Der Konzern schnitt auch deutlich besser ab als geplant, wie interne Unterlagen zeigen. Der Umsatz legte – vor allem wegen Schenker – kräftig auf fast 28 Milliarden Euro zu. Im Gesamtjahr sollen es nun mindestens 54 Milliarden Euro sein. Schenker mit der Land-, Luft- und Seefracht profitiert von den weltweiten knappen Frachtkapazitäten und kann daher deutlich höhere Preise verlangen. Die Bahn-Tochter erzielte im ersten Halbjahr 2022 allein soviel Gewinn wie im gesamten Jahr 2021 – und auch dies war schon ein Rekordergebnis. Das Betriebsergebnis (Ebit) des gesamten Konzerns summierte sich nach sechs Monaten auf über 870 Millionen Euro.
Das Schenker-Ergebnis wird zudem die Debatte beim Eigentümer Staat über einen Verkauf des Geschäfts weiter befeuern: Besonders bei Grünen und FDP gilt das internationale Geschäft als Fremdkörper bei der Bahn. Mit einem Verkauf könnte zudem ein Teil des Schuldenbergs von rund 30 Milliarden Euro abgetragen werden. Auf der anderen Seite zeigt der Gewinn, dass Schenker für den Konzern eine wichtige Stütze ist. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich bislang noch nicht zu Schenkers Zukunft geäußert.
FERNVERKEHR WIEDER IM AUFWIND
Das Kerngeschäft in Deutschland wies dagegen einen Verlust von einer halben Milliarde Euro aus, schnitt aber ebenfalls besser ab als von der Bahn selbst vorhergesagt. Positiv war die Erholung des Fernverkehrs, nachdem die Passagiere nach der Corona-Krise in großer Zahl zurückgekehrt sind. Mehr als doppelt soviele Menschen fuhren IC und ICE wie im ersten Halbjahr 2021. Auch der Nahverkehr verzeichnete ein Passagierplus von 60 Prozent – im Juni wirkte sich das 9-Euro-Ticket aus.
Der Schienengüterverkehr konnte zwar ebenfalls seinen Umsatz steigern, blieb aber mit einem Betriebsverlust von 300 Millionen Euro weiter in der Krise. Auf ihm ruhen besonders große Hoffnungen, was die Verlagerung von Gütern vom Lkw und den Klimaschutz angeht. Jedoch ist das Schienennetz der Bahn an vielen Stellen marode. Die Cargo-Tochter muss Aufträge ablehnen und Militär- und Getreidetransporte in der Ukraine-Krise erschweren das Geschäft zusätzlich.
Bahn optimistisch nach Rückkehr in Gewinnzone und Passagier-Boom
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