Donnerstag, November 14, 2024
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Ausufernde Inflation zwingt EZB zu unerwartet kräftiger Zinserhöhung

Frankfurt, 21. Jul (Reuters) – Historische Zäsur bei der Europäischen Zentralbank: Die EZB stemmt sich mit der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren gegen eine immer stärker ausufernde Inflation. Dabei gingen die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde kräftiger vor als sie bislang in Aussicht gestellt hatten. Sie beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 0,50 Prozent zu erhöhen. Auch der Einlagensatz wurde in gleichem Umfang angehoben – und zwar auf 0,00 Prozent. Banken müssen somit nicht mehr draufzahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken. Mit dem Schritt leitet die Euro-Notenbank eine umfassende Wende in ihrer Geldpolitik ein. Letztmalig hatten die Euro-Wächter im Juli 2011 die Zinsen angehoben. 

„Der EZB-Rat gelangte zu der Einschätzung, dass im Zuge seiner Leitzinsnormalisierung ein größerer erster Schritt angemessen ist als auf seiner letzten Sitzung signalisiert“, erklärte die Euro-Notenbank. Sie stellte weitere Zinsschritte in Aussicht: Auf den nächsten Zinssitzungen werde eine weitere Normalisierung der Geldpolitik angemessen sein, erklärte sie. Durch das Vorziehen des Ausstiegs aus den Negativzinsen könnten die Währungshüter zudem dazu übergehen, dass Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung gefasst würden. Der künftige Leitzinspfad des EZB-Rats werde weiterhin von der Datenlage abhängen.

„Es ist gut, dass sich die EZB heute zu einem großen Zinsschritt von einem halben Prozentpunkt durchgerungen hat“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die EZB-Entscheidung. „Aber das kann nur ein Anfang sein.“ Der Euroraum mit seinem tiefgreifenden Inflationsproblem brauche eine Serie großer Zinsschritte. Bastian Hepperle von Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erklärte: „Letztlich war der Inflationsdruck doch zu groß und die Inflationsaussichten zu schlecht, so dass sich der EZB-Rat zu einem großen Leitzinsschritt durchgerungen hat.“

Die Inflation im Euro-Raum war im Juni angetrieben von den hochschießenden Energiepreisen im Zuge des Ukraine-Kriegs auf ein neues Rekordniveau von 8,6 Prozent geklettert. Die Teuerung ist bereits seit Monaten auf dem Vormarsch und die EZB war kritisiert worden, sie habe den anhaltenden Inflationsanstieg zu spät erkannt. Unter den großen Notenbanken zählt die Euro-Notenbank zu den geldpolitischen Nachzüglern. Seit Juli 2021 haben laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mehr als 70 Notenbanken ihre Leitzinsen erhöht. Manche sind zum Teil sehr aggressiv gegen den Inflationsanstieg vorgegangen. Die US-Notenbank Federal Reserve erhöhte im Juni ihre Leitzinsen sogar um 0,75 Prozent – das war der größte Zinsschritt seit 1994. 

Die EZB ist mit einer schwierigen konjunkturellen Situation konfrontiert. Denn der Kampf gegen den anhaltenden Inflationsschub könnte die ohnehin schon durch die Folgen des Ukraine-Kriegs und die gestiegenen Rohstoffpreise belastete Wirtschaft weiter bremsen. Manche Volkswirte halten es für möglich, dass die Euro-Zone sogar in eine Rezession abgleiten könnte – vor allem dann, wenn es im weiteren Jahresverlauf zu großen Engpässen in der Gasversorgung kommen sollte. Bei den Verbrauchern in der Euro-Zone hat sich die Stimmung im Juli weiter eingetrübt und ist auf Rekordtief gefallen.

NEUES WERKZEUG ZUR STÜTZUNG VERSCHULDETER EURO-STAATEN

Die Zinswende ergänzend verständigten sich die Währungshüter auf ein neues Krisenprogramm, mit dem die EZB stark verschuldeten Staaten wie Italien bei Turbulenzen am Anleihenmarkt zur Hilfe eilen kann. Das neue Werkzeug (Transmission Protection Instrument – TPI) soll dabei helfen, dass die Geldpolitik gleichmäßig im Euroraum wirken kann und es nicht zu einem Auseinanderlaufen der Finanzierungskosten der einzelnen Eurostaaten kommt. Das TPI soll sicherstellen, dass der geldpolitische Kurs in allen Ländern des Euro-Raums reibungslos ankommt. „Die Einheitlichkeit der Geldpolitik des EZB-Rats ist eine Voraussetzung dafür, dass die EZB ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen kann“, erklärte die Notenbank.

Der Umfang der Anleiheankäufe im Rahmen des TPI hänge von der Schwere der Gefahren ab, erklärte die EZB. Die Ankäufe sind den Währungshütern zufolge „nicht von vornherein beschränkt“. Nähere Einzelheiten zum neuen Programm will die EZB im Verlauf des Nachmittags bekannt geben.

Ausufernde Inflation zwingt EZB zu unerwartet kräftiger Zinserhöhung

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Titelfoto: Symbolfoto

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