Samstag, April 27, 2024
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Ausgebremst im Höhenflug?

Rechtliches und Hintergründe zur Handelsaussetzung mit Twitter-Aktien von Dr. Arne Vogel, Rechtsanwalt und Partner der Großkanzlei gunnercooke

Jetzt also doch: Elon Musk möchte Twitter zum Ursprungspreis kaufen. Damit scheint das monatelange Tauziehen beendet, die ausstehende Gerichtsverhandlung ist ausgesetzt. Nachdem der Aktienkurs von Twitter zunächst nach oben schnellte und das Papier vom Handel ausgesetzt wurde, kehren langsam wieder normale Zustände ein. Doch aus welchen Gründen können Wertpapiere vom Handel ausgesetzt werden? Welche rechtlichen Vorschriften gibt es? Und was passiert bei einer Handelsaussetzung mit den Handelsaufträgen?

Was den aktuellen Fall besonders macht

Im April 2022 gab Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, bekannt, er wolle den Kurznachrichtendienst Twitter kaufen und ihn von der Börse nehmen. Dafür bot er den Anteilseignern 54,20 US-Dollar pro Aktie, was sich insgesamt auf 44 Milliarden Dollar summierte. Der Verwaltungsrat von Twitter willigte ein, da es aufgrund des damaligen Börsenkurses die attraktivste Option für die Aktionäre sei. Im Juli zog Elon Musk sein Angebot zurück, denn das ihm bekannte Bot-Problem sei größer als bisher angenommen.

Doch Twitter bestand auf der Übernahme, schließlich sei der Verkauf bereits bewilligt. Außerdem habe das Image des Unternehmens durch das Durcheinander erheblich gelitten. Folgerichtig reichte Twitter eine Klage gegen Musk ein, um ihn zu einer Übernahme oder wenigstens einer Entschädigung zu zwingen. Geplanter Gerichtstermin war ursprünglich der 17. Oktober 2022, der jedoch verschoben wurde. Die zuständige Richterin hätte Elon Musk zu einer Ersatzzahlung von bis zu einer Milliarde Dollar verpflichten oder auch dazu zwingen können, die Übernahme zum vereinbarten Kaufpreis durchzuführen.

Warum werden Wertpapiere vom Handel ausgesetzt?

Klar ist: Eine Aussetzung vom Handel ist die absolute Ausnahme. Wenn eine Börse die Notierung von Aktien aussetzt, dann muss dies triftige Gründe haben, beispielsweise wenn ein ordnungsgemäßer Handel wenigstens zeitweise gefährdet ist. Auch der Schutz von Investoren bei diffusen oder unbestätigten Unternehmensnachrichten kann bei der Entscheidung für eine Aussetzung eine Rolle spielen. Eine mögliche Insolvenz des emittierenden Konzerns, erhebliche Veränderungen in der Ertragslage oder eine bevorstehende Kapitalerhöhung gelten ebenfalls als solche Umstände. Eine Aussetzung soll allen Investoren die Chance geben, sich über den aktuellen Sachverhalt zu informieren, der gegebenenfalls für die (Neu-)Bewertung eines Unternehmens wichtig ist.

Die Voraussetzung für eine Aussetzung vom Handel sind in der Regel in nationalen Gesetzen festgelegt. In Deutschland finden sich Vorschriften zur Aussetzung z.B. in § 25 des Börsengesetztes (BörsG) und § 73 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Dort heißt es, dass der Handel insbesondere dann ausgesetzt oder ausgeschlossen werden kann, wenn das Papier den Regeln des Handelssystems nicht mehr entspricht, der Verdacht eines Marktmissbrauchs in Sinne des Artikel 1 der europäischen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) oder einer Nichtveröffentlichung von Insiderinformationen entgegen Artikel 17 MAR besteht oder ein Übernahmeangebot veröffentlicht wurde.

Auch die Börsenordnungen der jeweiligen Handelsplätze enthalten häufig Regelungen zur Aussetzung, so zum Beispiel § 59 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse. Da eine Aussetzung meist nur einen Zeitaufschub zur Informationsbeschaffung beabsichtigt, wird die Notierung nach Angaben der Frankfurter Wertpapierbörse oft lediglich für eine Stunde ausgesetzt. Ausnahmen bestätigen aber wie so oft die Regel. In den USA kann die US- Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) den Handel sogar für bis zu 10 Tage aussetzen.

Ist der Auftrag jetzt weg?

Wer just in dem Moment Twitter-Aktien kaufen wollte, in dem die Aussetzung vom Handel bekannt gemacht wurde, der hatte tatsächlich Pech. Sowohl bei einer zeitweiligen als auch einer ganztägigen Kursaussetzung werden bestehende Aufträge zum Schutz der Anleger gelöscht. Besonders bei Limit-Aufträgen mit längerer Gültigkeit kann dies dazu führen, dass Investoren von der Aussetzung gar nichts mitbekommen und sich wundern, weshalb ihre offene Order nicht mehr vorliegt. Ein Blick in die Datenbank mit den Bekanntmachungen verschafft hier Klarheit, denn einer Veröffentlichung einer Aussetzung ist hier Pflicht.

Wie geht es bei Twitter weiter?

Auch wenn Elon Musk nach aktuellem Stand die Twitter-Übernahme doch zu Ende führen möchte, bleibt es spannend, denn alle Kritikpunkte konnten wohl noch nicht geklärt werden. Die zuständige Richterin Kathaleen McCormick hat Twitter und Elon Musk nun eine Frist gesetzt, bis zu jener der Deal abgeschlossen werden soll. Die Deadline ist der 28. Oktober 2022.

Über den Autor:

Dr. Arne Vogel vom Hamburger Standort ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Großkanzlei gunnercooke mit Standorten in Berlin, Düsseldorf, München und Hamburg. Er promovierte zu einem Thema an der Schnittstelle zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht und war mehrere Jahre neben seiner anwaltlichen Tätigkeit Dozent für Finanz- und Kapitalmarktrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Mit seiner umfassenden Expertise in diesen Rechtsbereichen berät er nationale und internationale Mandanten im Tagesgeschäft, bei der Unternehmensfinanzierung und bei Unternehmenstransaktionen.

Website:http://www.gunnercookede.com 

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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Titelfoto: Marion von der Mehden

Quelle: gunnercookede

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