UPDATE Berlin, 10. Nov – Der Bundestag hat die Umwandlung der Hartz-IV-Grundsicherung in ein Bürgergeld beschlossen. Für den Gesetzentwurf der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP stimmten am Donnerstag 385 Abgeordnete bei 261 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen. Die Union hatte eine Ablehnung angekündigt. Damit wird das 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II durch ein Bürgergeld ersetzt, wenn auch der Bundesrat zustimmt. Die Länderkammer berät darüber am Montag in einer Sondersitzung. Die Bundesregierung stellt sich auf ein Vermittlungsverfahren ein. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach die Hoffnung aus, dass mit einem Schnellverfahren dennoch ein Inkrafttreten zum Jahresanfang noch gelingen könnte.
Die Reform sieht auch eine deutliche Erhöhung der monatlichen Zahlungen vor. Ein alleinstehender Erwachsener soll künftig 502 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt und damit 53 Euro mehr erhalten. Auch die Regelsätze für Paare und Kinder steigen. Die Bundesagentur für Arbeit hat gewarnt, dass eine Auszahlung der Erhöhung zum Jahresbeginn nicht gewährleistet sei, wenn sie nicht bis Ende November Klarheit habe. Im Oktober hatten 5,33 Millionen Erwachsene und Kinder Anspruch auf Hartz-IV-Zahlungen. Darunter fallen auch Geflüchtete aus der Ukraine.
UNION KRITISIERT HÖHE DES SCHONVERMÖGENS
Mit der Reform sind erhebliche Mehrausgaben verbunden. Sie werden im Gesetzentwurf mit rund 4,8 Milliarden Euro für 2023 beziffert und steigen bis zum Jahr 2026 auf knapp 5,9 Milliarden Euro. Den weitaus größten Teil davon trägt der Bund. Die Reform soll eine Vermittlung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt erleichtern, unter anderem durch mehr Qualifizierung und Weiterbildung. Auch die Möglichkeiten für Zuverdienste mit geringeren Abzügen beim Bürgergeld werden erweitert.
Die Erhöhung der Zahlungen will die Union mittragen. Sie lehnt aber vor allem die geplante Erhöhung des sogenannten Schonvermögens ab. Diese finanziellen Reserven müssen Bedürftige nicht antasten, wenn sie Bürgergeld bekommen wollen. Unions-Vizefraktionschef Hermann Gröhe sprach im Bundestag von einem zentralen Webfehler der Reform. Eine vierköpfige Familie könne 150.000 Euro besitzen und trotzdem Bürgergeld bekommen, sagte Gröhe: „Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann von einem solchen Vermögen nur träumen.“ Die Koalition gefährde damit die Chancen auf eine Vermittlung in Arbeit.
Auf Antrag der Union wurde die Abstimmung über die Erhöhung der Regelsätze vor der Schlussabstimmung ausgekoppelt. Nahezu geschlossen stimmte der Bundestag mit 681 Ja- und ohne Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Erhöhungen.
Die Bundesregierung will den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen, wenn es für die Sozialreform am Montag in der Länderkammer keine Mehrheit gibt. Arbeitsminister Heil hofft auf eine schnelle Einigung mit den Unions-geführten Ländern, deren Zustimmung die Ampel-Koalition benötigt: „Dann haben wir die Gelegenheit, in einem Schnellverfahren dafür zu sorgen, dass das Bürgergeld am 1. Januar in Kraft tritt.“
Grüne und FDP kritisierten im Bundestag Unions-Politiker für Aussagen, künftig hätten arbeitende Geringverdienende weniger Geld als Bürgergeld-Beziehende. Schon heute gebe es durch andere staatliche Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag keinen Fall, in dem Arbeitende weniger hätten als diejenigen, die keiner Arbeit nachgingen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel. Aber es müsse sich stärker lohnen zu arbeiten statt Bürgergeld zu beziehen. Das erreiche die Reform mit der Erweiterung der Möglichkeiten für Zuverdienste. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann griff Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) an, der in der Debatte nicht das Wort ergriff. Merz „schüre Sozialneid ohne Ende“, sagte Haßelmann: „Aber hier im Parlament kneift er heute.“
Aus Hartz IV wird Bürgergeld – Bundestag beschließt Reform
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von Louis auf Pixabay
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