Update Berlin, 19. Sep – Die Auftragsbücher der deutschen Industriebetriebe sind trotz der sich abzeichnenden Rezession so prall gefüllt wie noch nie. Der Bestand an Bestellungen sei im Juli um 0,7 Prozent zum Vormonat gewachsen, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es einen Zuwachs von 12,6 Prozent.
„Damit hat der Auftragsbestand des Verarbeitenden Gewerbes einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015 erreicht“, wie die Statistiker betonten, die auch einen Grund für den Auftragsstau nannten: „Neben hohen Energiekosten für die Industriebetriebe führt die anhaltende Knappheit an Vorprodukten nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge“, hieß es.
Ob das dicke Polster die heraufziehende Rezession in Deutschland abmildern kann, halten Experten zumindest für fraglich. „Es stellt sich natürlich die Frage, ob der Kunde am Ende überhaupt noch zahlungsfähig und -willig ist“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch angesichts der von steigenden Energiepreisen ausgelösten Kostenexplosion für viele Unternehmen. Bislang gebe es zwar noch wenig Hinweise über Stornierungen in der Industrie, dafür aber im Wohnungsbau: Im August waren 11,6 Prozent der befragten Bauunternehmen davon betroffen, nach 11,5 Prozent im Vormonat, wie aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht.
„Seit April sehen wir, dass auffällig viele Projekte gestrichen werden“, kommentierte Ifo-Forscher Felix Leiss diese Entwicklung. Die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau hätten sich in den vergangenen Monaten massiv verschlechtert. „Explodierende Baukosten, steigende Finanzierungszinsen und eingeschränkte Fördermöglichkeiten belasten die Kalkulation potenzieller Bauherren schwer“, sagte Leiss. „Einige Projekte werden damit unrentabel.“
„ABSCHWUNG FÜHRT ZU SINKENDEN NEUAUFTRÄGEN“
Immobilien seien den Entwicklern in den vergangenen Jahren förmlich aus den Händen gerissen worden, sagte LBBW-Experte Niklasch. „Es ist daher keineswegs sicher, ob das dicke Auftragspolster die Industrie auch tatsächlich gegen Blessuren in der sich abzeichnenden Rezession schützt“, warnte der Ökonom. „Schon jetzt macht sich der Abschwung in sinkenden Neuaufträgen bemerkbar.“
Die offenen Aufträge aus dem Inland erhöhten sich im Juli um 0,3 Prozent zum Vormonat, die aus dem Ausland um 0,8 Prozent. Besonders bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge stapelten sich die Bestellungen: Hier gab es ein Plus von 0,7 Prozent. Die Reichweite des Auftragsbestands stagnierte den Angaben zufolge bei 8,0 Monaten. Diese gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Auftragseingänge theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Bei den Herstellern von Investitionsgütern ist die Reichweite mit 11,9 Monaten überdurchschnittlich hoch.
Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge nahmen die Klagen in der Industrie über fehlende Vorprodukte und Materialien zuletzt merklich ab: Im August berichteten 62 Prozent der Firmen über Engpässe, im Juli waren es noch mehr als 73 Prozent. Das spricht dafür, dass Bestellungen künftig etwas schneller bedient werden können.
Auftragsbücher der deutschen Industrie praller gefüllt denn je- Fragezeichen bleiben
Quelle: Reuters
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