Zürich, 14. Okt – Kurz vor der Ende des Monats erwarteten Strategieentscheidung der krisengeplanten Credit Suisse gehen die Anleger über die Bücher. Neben der Frage, wie stark das pannenanfällige Investmentbanking gestutzt werden soll, steht dabei vor allem der künftige Kapitalbedarf der zweitgrößten Schweizer Bank im Zentrum. „Die Credit Suisse steht vor dem größten Umbruch, den die Bank jemals gesehen hat“, erklärte Andreas Thomae, Corporate-Governance-Spezialist bei der Fondsgesellschaft Deka Investment.
Zwar räumte die Großbank mit der Ankündigung vom vergangenen Freitag, Anleihen zurückzukaufen, Zweifel an ihrer Stabilität weitgehend aus. Doch auf Credit Suisse kommen voraussichtlich ein teurer Konzernumbau, Kosten für Rechtsfälle, strengere regulatorische Anforderungen und ein schleppendes Tagesgeschäft zu. „Angesichts dieses Gegenwinds schätzen wir, dass die CS in den kommenden Jahren rund neun Milliarden Franken an Kapital aufbauen muss“, erklärte der Broker Jefferies kürzlich in einer Studie. Andere Experten veranschlagen weniger.
Der Kollaps des Hedgefonds Archegos und die Notschließung von zusammen mit Greensill betriebenen Fonds haben die Credit Suisse Milliarden gekostet und dem Ruf des Traditionsinstituts zugesetzt. Für Credit Suisse als Vermögensverwalter sei die Reputation das höchste Gut, erklärte Thomae. „Eine gute Kapitalisierung ist dabei wichtig.“
Die Analysten von Goldman Sachs gehen davon aus, dass Credit Suisse zwar auch zum Jahresende noch auf eine solide Kernkapitalquote kommt. Bis 2024 dürfte das Zürcher Geldhaus dann aber zu den Schlusslichtern unter den 28 abgedeckten europäischen Großbanken gehören. Für 2024 rechnet Goldman Sachs mit einer Kapital-Unterdeckung von vier bis acht Milliarden Franken, wenn Credit Suisse nichts unternimmt. „Wir halten jetzt eine Kapitalerhöhung für sinnvoll, um einen Puffer zu bewahren“, so die Analysten in einer am Dienstag veröffentlichten Studie.
Während Jefferies mittelfristig mit neun Milliarden Franken rechnet, veranschlagt der Broker den kurzfristigen Kapitalbedarf einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Studie zufolge auf vier bis sechs Milliarden Franken. Diesen dürfte die Bank entweder durch Verkäufe von Geschäftsteilen oder eine Kapitalerhöhung decken. Angesichts der Verwässerung durch eine Anhebung des Kapitals erwarten die Jefferies Experten indes, dass das Geldhaus Verkäufen den Vorrang gibt.
Die Analysten von JP Morgan sind der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalerhöhung aufgrund der jüngsten Spekulationen im Zusammenhang mit den Bedenken der Gegenparteien gestiegen ist, sehen dies aber nicht als einzige Möglichkeit. „Das Management sollte alle verfügbaren Optionen prüfen, um eine Kapitalerhöhung mit erheblichem Verwässerungseffekt zu vermeiden – wir sehen eine Kapitalerhöhung nicht als zwangsläufiges Ergebnis an“, hieß es in einer vergangene Woche veröffentlichten Studie.
Ende Juli hatte Credit Suisse in Aussicht gestellt, das Investmentbanking weiter zu stutzen und stärker auf das Vermögensverwaltungsgeschäft zu setzen. „Der Markt möchte tiefe Schnitte im Investmentbanking sehen, damit die Bank nicht mehr so abhängig von diesem riskanten Geschäft ist“, erklärte Deka-Experte Thomae.
Credit Suisse will die Ergebnisse der Strategieüberprüfung am 27. Oktober gleichzeitig mit dem Quartalabschluss bekannt geben. „Es wäre verfrüht, sich vor diesem Zeitpunkt zu möglichen Ergebnissen zu äußern“, erklärte eine Sprecherin.
Analysten rechnen Kapitalbedarf der Credit Suisse durch
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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