Kiew/Berlin, 28. Aug – Trotz Warnungen vor einer Nuklearkatastrophe steht das größte europäische Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine weiter unter Beschuss. Russland und die Ukraine warfen sich am Wochenende gegenseitig vor, dafür verantwortlich zu sein. Laut dem staatlichen ukrainischen Atomunternehmen Energoatom sichteten Experten die durch jüngste russische Angriffe verursachten Schäden. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Samstag, das Atomgelände sei binnen 24 Stunden drei Mal von ukrainischer Seite beschossen worden. Dabei sei auch das Dach eines Gebäudes getroffen worden, in dem Nuklearmaterial gelagert werde.
Reuters konnte die Angaben beider Seiten nicht überprüfen.
Inspektoren der UN-Atomenergie-Agentur IAEA warteten unterdessen weiter auf grünes Licht, um das Gelände an der südlichen Frontlinie des Krieges zu besichtigen. IAEA-Chef Rafael Grossi hat vor der Gefahr einer Nuklearkatastrophe gewarnt, die die Umwelt in der Ukraine und darüber hinaus bedrohen könne. Vor wenigen Tagen äußerte er sich hoffnungsvoll, dass seine Behörde „sehr, sehr nahe“ davor stehe, die Erlaubnis zur Inspektion der Anlage zu erhalten.
Russische Truppen halten das Kraftwerk seit Anfang März besetzt, es wird aber noch von ukrainischen Technikern betrieben. Laut dem Gouverneur der Region Saporischschja wurden Bewohner für den Fall eines atomaren Lecks bereits mit der Einnahme von Jod-Tabletten vertraut gemacht.
Nahe dem AKW wurden die Städte Nikopol und Marhanets am Samstag von Granaten getroffen, wie der Bürgermeister von Nikopol mitteilte. Weiter südlich sehen sich russische Streitkräfte weiter mit einer ukrainischen Gegenoffensive konfrontiert. Diese zielt auf Cherson, die erste Großstadt, die russische Truppen nach Beginn der Invasion vor über sechs Monaten einnehmen konnten.
Im Kriegsgebiet der östlichen Donbass-Region hielten Verteidiger weiterhin russischen Vorstöße um die strategisch wichtige Stadt Bachmut Stand. Die russischen Durchbruchversuche zielen darauf ab, die Kontrolle über die Region auszuweiten.
BAERBOCK WILL UKRAINE AUF JAHRE HINAUS HELFEN
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sicherte derweil der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion jahrelange Unterstützung Deutschlands auch mit schweren Waffen zu. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser Krieg noch Jahre dauern könnte“, sagte die Grünen-Politikerin der „Bild am Sonntag“: „Natürlich würde ich mir wünschen, dass der Krieg schnellstmöglich vorbei ist.“ Aber leider müsse man davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden brauche.
Forderungen etwa von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, wies Baerbock zurück: „Ich frage mich manchmal, ob einige nicht verstanden haben, dass das kein Spiel mit Regeln ist und kein plötzlicher Lieferengpass.“ Die Gaspipelines aus Russland seien schon lange keine normalen Leitungen mehr, sondern Waffen in einem hybriden Krieg. „Wenn Putin nicht durch Nord Stream 1 liefert, warum sollte er durch Nord Stream 2 liefern? Durch Nord Stream 1 fließt doch nicht zu wenig Gas, weil die Leitung kaputt wäre, sondern weil Putin es nicht will.“
Laut der „Welt am Sonntag“ hat die Bundesregierung eine Holding gegründet, um die Verstaatlichung der deutschen Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom kurzfristig über die Bühne bringen zu können. Die ehemalige Gazprom Germania, die inzwischen in Securing Energy for Europe GmbH (SEFE) umbenannt wurde, steht bislang unter Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur. Dem Bericht zufolge sei im Juni eine bestehende Vorratsgesellschaft in Securing Energy for Europe Holding GmbH SEEHG umbenannt worden. Sie sei für Investitionen zuständig und solle die Versorgungssicherheit im Bereich Energie sichern, zitiert das Blatt unter Berufung auf den Gesellschaftervertrag. Weiter heißt es in dem Bericht, zwei Anwälte der Kanzlei CMS Hasche Sigle seien die Geschäftsführer. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, dass ihm die Holding bekannt sei und dass ihre Gründung eine Vorsichtsmaßnahme für etwaige Umstrukturierungsmaßnahmen sei.
AKW in der Ukraine weiter unter Beschuss – UN-Inspektoren müssen warten
Quelle: Reuters
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