Berlin, 19. Feb – Eigentlich müssten Wind- und Solarbranche goldenen Zeiten entgegensehen: Das Ausbau-Tempo will die Bundesregierung verdreifachen, bis 2030 sollen 80 Prozent des Stromverbrauchs von Solar- oder Windkraftwerken geliefert werden. Das ist fast doppelt soviel wie derzeit. Doch sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck als auch Branchenvertreter zweifeln, ob dieser Langstrecken-Sprint unter derzeitigen Bedingungen möglich sein wird. Selbst dann, wenn ausreichend Flächen zur Verfügung stehen. Die Branche müsste ihre Kapazitäten in Deutschland und Europa gewaltig ausbauen – im Vertrauen auf die Zusagen der Politik. Und dies in einer Zeit, in der die Solarindustrie in Deutschland kaum noch vorhanden ist und die USA auch die Windbranche mit üppigen Subventionen lockt. Nach einer Reihe von Gesprächen mit Industrie und Verbänden will Habeck am Dienstag nun erste Vorschläge machen.
Im Kern will er zwei Ziele zugleich erreichen, die eng miteinander verwoben sind: Die Ausbau- und damit auch die Klimaziele im Energiesektor und eine Stärkung und Wiederbelebung der Wind- und Solarbranche in Deutschland und Europa. Letzteres bekommt auch mit der Konkurrenz durch die USA und ihrem Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) größere Bedeutung.
Welche Instrumente Habeck einsetzen will, lässt sich zum einen aus internen Arbeitspapieren des „Roundtable zu industriellen Produktionskapazitäten für die Energiewende“ ableiten. Zum anderen hat Habeck bereits öffentlich Andeutungen gemacht. Da im bloßen Vertrauen auf die politischen Ziele und auf ausreichend Flächen kaum jemand seine Produktion drastisch ausbaut, müsse es Hilfe geben: „Also brauchen sie eine Garantie, dass diese Aufträge kommen“, sagte Habeck kürzlich beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Er hoffe, dass dies auch die EU genehmigt.
STAATLICHE ABNAHMEGARANTIE FÜR ÖKOSTROM-KRAFTWERKE
So findet sich das auch in den Arbeitspapieren des „Roundtable“: „Konkret müsste der Staat die mögliche Differenz zwischen Produktionskosten und dem tatsächlichen Verkaufspreis übernehmen“. Der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) geht in seinen Forderungen noch einen Schritt weiter: Neben staatlichen Angeboten zur Förderung und Risikoabsicherung beim Auf- und Ausbau von Fertigungskapazitäten müsse es zumindest in der Anlaufphase auch Hilfen bei den Betriebskosten geben. So könne es eine Renaissance der Solarindustrie in Europa geben.
SONDERABSCHREIBUNGEN FÜR INVESTITIONEN
Ein weiteres Instrument könnten steuerliche Vergünstigungen für die Investitionen sein, also etwa Sonderabschreibungen. So könnten etwa statt jedes Jahr 20 Prozent schon im ersten Jahr 80 Prozent der Summe von der Steuer abgesetzt werden. Auch das wird in den Arbeitspapieren angeregt. Ähnliche Förderungen gibt es schon für kleinere Ökostrom-Kraftwerke. Zudem könne es bereits im Vorfeld von Investitionen Abschreibungen geben, die wie eine Prämie wirkten. Hilfreich für Habeck: Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) denkt einem „Spiegel“-Bericht zufolge in diese Richtung bei Investitionen in den Klimaschutz. Sogar Firmen mit Verlusten sollten davon profitieren.
Die USA beispielsweise arbeiten ebenfalls stark mit Steuervorteilen für die Unternehmen. Für Deutschland und Europa hätte dies den Vorteil, die heimische Wirtschaft im weltweiten Wettbewerb zu stärken. Auch die EU hatte Abschreibungen hier als Option genannt.
Dem gleichen Ziel könnten sogenannte hybride Finanzinstrumente dienen, die zwischen Industrie und Ministerium ebenfalls diskutiert werden. Hybride Finanzinstrumente sind eine Mischung zwischen Fremd- und Eigenkapital, etwa als Genussschein, stille Einlage oder Nachrang-Darlehen. Sie stärken die Unternehmen und machen eine höhere Verschuldung mit Fremdkapital möglich. In der Diskussion sind zudem verbilligte Kredite der Staatsbank KfW. In Zeiten stark gestiegener Zinsen gewinnt das Instrument wieder an Bedeutung.
Wie Habeck der Ökostrom-Branche Flügel verleihen will
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Ralph Lindner auf Pixabay
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