Donnerstag, Dezember 19, 2024
StartKommentar"Aggressive Botschaften der Fed"

„Aggressive Botschaften der Fed“

Zu der gestrigen Entscheidung der US-Notenbank, die Zinssätze um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen, kommentiert Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton:

„Die US-Notenpolitik bleibt länger restriktiv, als dies die Märkte erwartet hatten. Die Fed scheint immer noch eine weitere Straffung der Finanzmärkte erreichen zu wollen, was im Grunde bedeutet, dass sie fallende Aktienkurse in Kauf nimmt. Es gab bei dieser Sitzung keine unterschiedlichen Ansichten unter den Fed-Vertretern, und diese einheitliche Haltung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft im Jahr 2023 gegen eine Inflationswand läuft. Allerdings wird sich die Haltung der Fed im Jahr 2023 wahrscheinlich ändern.

Die großen Zinserhöhungen liegen hinter uns; die Fed wird im nächsten Jahr zu Zinserhöhungen um 25 Basispunkte übergehen, um sich mehr Flexibilität zu verschaffen. In Wirklichkeit wird die Fed aber viel weniger von Bedeutung sein als die Wirtschaftsdaten, die auf eine weitere Verlangsamung aufgrund der verzögerten Auswirkungen der Straffung hindeuten. Auch die Inflation dürfte ihren Höhepunkt erreichen und zurückgehen. Wir haben bereits eine Deflation bei Gütern, und die Inflation bei Dienstleistungen im Immobiliensektor wird der nächste Bereich sein, in dem ein Rückgang zu verzeichnen sein wird. Die Schwäche des Arbeitsmarktes ist das fehlende Element, um die hartnäckige Dienstleistungsinflation zu senken. All diese Trends deuten darauf hin, dass Anleihen im Jahr 2023 gut abschneiden werden.

Die Fed ist jetzt effektiv restriktiv, was bedeutet, dass keine weitere Straffung erforderlich ist. Die Frage ist nun jedoch, wie lange sie ihre restriktive Politik beibehalten wird. Während die Fed Zinssenkungen für das Jahr 2024 prognostiziert, erwarten wir sie derzeit für Ende 2023.“

Daleep Singh, Chief Global Economist, Head of Global Macroeconomic Research und Robert Tipp, Chief Investment Strategist, Head of Global Bonds, bei PGIM Fixed Income kommentieren:

Die aggressiven Botschaften der Fed führen zu einem anhaltenden Druck

Trotz der jüngsten Verbesserungen der Inflationsdaten dämpfte die Federal Reserve die Hoffnungen der Märkte auf einen moderateren Kurs. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der Fed signalisierten ein noch restriktiveres Vorgehen als ihre Prognosen vom September sowie schwächere Wirtschaftsaussichten bei geringerem Wachstum und höherer Arbeitslosigkeit. Zusammengenommen sehen wir drei übergreifende Botschaften der Fed: Erstens, sie wird so lange an ihrem Kurs festhalten, bis die Inflation wieder das Zielniveau erreicht hat. Zweitens, diese Rückkehr wird höhere Zinssätze länger als bisher erwartet erfordern und drittens, das Wachstum wird leiden und die Arbeitslosigkeit wird steigen. Dies sind jedoch notwendige Konsequenzen, die man auf sich nehmen muss, damit das Inflationsziel erreicht werden kann.

Aus der Sicht der Fed deutete die Sitzung auf eine holprige Landung am Konjunkturhorizont hin. Die Wachstumsprognosen für 2023 wurden auf 0,5 % nach unten korrigiert – an der Grenze zu einer Rezession –, während die Prognosen für die Ausgaben des persönlichen Verbrauchs (Personal Consumption Expenditures, PCE) bis Ende nächsten Jahres auf 3,5 % nach oben korrigiert wurden. Gleichzeitig wurde der erwartete Leitzins-Höchststand um 50 Basispunkte auf 5,1 % angehoben, was am oberen Ende der Erwartungen liegt, gefolgt von Zinssenkungen um jeweils 100 Basispunkte in den Jahren 2024 und 2025.

Auf Nachfrage betonte Notenbankchef Powell, wie wichtig es sei, dass die finanziellen Bedingungen die vom Ausschuss beabsichtigte Zurückhaltung widerspiegeln. Er erläuterte, dass wir von einem System, bei dem die Geschwindigkeit der Straffung die wichtigste Variable war, zu einem System übergehen, bei dem die Dauer des Höchststandes der kritischste Aspekt bei der Erfüllung des doppelten Mandats der Fed ist.

An diesem Punkt haben die Daten die Reaktionsfähigkeit der Fed eingeholt. Mit anderen Worten: Der deutliche Rückgang des Inflationsdrucks – insbesondere in jener Kategorie, die die Fed durch eine Abkühlung des Arbeitsmarktes am stärksten beeinflussen kann (d. h. Preise für Dienstleistungen, ausgenommen von Unterkünften) – ist ein deutlicherer Wegweiser für die Fed-Politik als alle Vorhersagen, die in der Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen enthalten sind. Daher stellt die Prognose der Fed für die Leitzinsen eine ungewisse Annahme dar, die mit jedem wichtigen Datenpunkt hinterfragt werden kann.

Mit Blick auf die Zukunft lautet die wichtigste makroökonomische Frage, ob die zunehmenden Anzeichen für eine Disinflation die verzögerte Wirkung der Schwäche der Weltwirtschaft widerspiegeln, die unweigerlich in eine Rezession münden wird, wenn die globale Politik über einen längeren Zeitraum hinweg restriktiv bleibt. Die optimistische Sichtweise hingegen sieht in den VPI-Daten ein ermutigendes Zeichen dafür, dass der Weg zu einer sanften Landung doch nicht so schmal ist.

Die Märkte haben vielleicht mehr Vertrauen in die Fed als die Fed selbst…

Die Marktpreise sind im Vergleich zu den Prognosen der Fed übermäßig „dovish“, mit Erwartungen für Kürzungen ab Q4 2023 und rund 75 Basispunkte unter den Prognosen der Fed für das Jahresende 2023 und 2024 liegen. Infolgedessen deutet der anhaltend „hawkishe“ Kurs der Fed auf einen zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Zinsen und eine mögliche Versteilung der Renditekurve hin. Darüber hinaus wird der Wunsch der Fed, die finanziellen Bedingungen straff zu halten, wahrscheinlich die Risikobereitschaft dämpfen, so dass Aktien und Kreditspreads in die Defensive geraten.

Die  Marktverzerrungen, höhere Zinssätze und gedämpfte Risikobereitschaft kamen jedoch nur kurzzeitig an den Märkten zum Tragen, da die Zinssätze trotz der Anhebung des erwarteten Zinspfads durch die Fed am Ende des Tages sogar niedriger ausfielen. Und warum? Ein Anhaltspunkt ist die Reaktion der Breakeven-Inflationsraten für Staatsanleihen, d. h. die Inflationsprognose des Marktes für inflationsgeschützte Staatsanleihen. In einer der größeren Bewegungen gingen zuletzt die langfristigen Inflationserwartungen, gemessen an den Breakeven-Sätzen der Treasuries um etwa 5 Basispunkte zurück, und dies ausgehend von einem Punkt, der bereits in der Nähe des 2 %-Ziels der Fed lag. Das niedrige Niveau der Breakevens und ihr weiterer Rückgang unterstreichen das Vertrauen des Marktes in die Fed, die Inflation auf das 2 %-Ziel zurückzuführen.

Ein aggressives Vorgehen erhöht die Chancen für eine weiche Landung …

Ein Grund dafür, dass die Märkte die Nachricht von der Zinserhöhung so gut aufgenommen haben, könnte in der Absicht der Fed liegen, das Tempo der Zinserhöhungen zu drosseln. Nachdem sie die Zinssätze nun um mehr als 400 Basispunkte angehoben hat, sind die Notenbanker der Meinung, dass sie in Zukunft vorsichtiger vorgehen können, oder wie Powell es ausdrückte, „langsamer vorgehen und uns vorantasten“. Das mag zwar wie gesunder Menschenverstand erscheinen, steht aber in krassem Gegensatz zu den harten Landungen in der Vergangenheit, bei denen die Fed die Zinsen immer schneller anhob – bis es zu spät war.

Schlussfolgerungen

Die restriktivere Entscheidung der Fed unterstreicht ihre Entschlossenheit, eine straffe Politik beizubehalten, bis ihre Aufgabe erledigt ist. Auch wenn dies einen Leitzins von 5 % bis Ende 2023 zur Folge haben könnte, trösten sich die Märkte damit, dass die Fed zu einem langsameren, bedächtigeren Kurs der Zinserhöhungen übergeht, was die Chancen auf eine weiche Landung erhöht.

„Aggressive Botschaften der Fed“

Foto: Robert Tipp, Chief Investment Strategist, Head of Global Bonds, bei PGIM Fixed Income (Quelle: PGIM Fixed Income)

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