Sonntag, November 24, 2024
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Front gegen Russland gesucht – Noch hofft Scholz auf G20-Gipfel

Berlin, 14. Nov – Die Hoffnung, dass es bei dem G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf Bali zu einer gemeinsamen Erklärung kommt, in der Russlands Krieg kritisiert wird, ist gering. Zu gespalten sei die Welt, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Die westlichen Staaten und auch Kanzler Olaf Scholz wollen zwar unbedingt, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in einer Erklärung thematisiert wird. Aber Russland widersetzt sich dem.

„Das wird noch ein harter Ritt“, sagte Scholz bei seinem Besuch in Singapur mit Blick auf die Beratungen am Dienstag und Mittwoch. Man werde wohl einen Großteil der Zeit auf Bali auf diese Frage verwenden müssen, Debatten über Klimawandel oder Weltwirtschaft hin oder her. Auch andere G20-Staaten lehnen eine zu deutliche Sprache des Clubs in Sachen Russland ab. Bei seinem Bemühen, solche Länder auf eine Anti-Russland-Seite zu ziehen, ist Scholz bisher nicht wirklich weit gekommen.

Eigentlich wollte der Kanzler der drohenden Spaltung der Welt nach dem am 24. Februar begonnen Angriff vorbeugen. Auf dem G7-Gipfel in Elmau lud er ausdrücklich auch Staaten ein, die in der UN-Vollversammlung das russische Vorgehen nicht kritisiert hatten. Dazu gehören die G20-Länder Indien und Südafrika. Scholz sucht den Kontakt zu Senegal, Argentinien und reiste nun nach Vietnam, weil er davor warnt, dass man nicht nur mit denen reden dürfe, die ohnehin der gleichen Meinung seien wie die westlichen G7-Staaten. Denn nur so könne man überhaupt einen Konsens in einer multipolaren Welt herstellen. Regierungsintern wird sogar kritisiert, dass Außenministerin Annalena Baerbock ebenfalls mehr mit denen reden sollte, die nicht die eigenen Werte teilten. „Das ist das Wesen der Diplomatie“, betont ein führendes Mitglied der Ampel-Koalition. 

Scholz will nach eigenen Angaben genau diesen schwierigen Dialog – auch wenn er dafür Kritik einstecken muss. So hat der SPD-Politiker über die Monaten immer wieder Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin geführt. Vergangene Woche reiste er trotz des Kritik von Grünen und FDP nach China, um dort nicht nur für ein friedliches Vorgehen gegenüber Taiwan zu werben, sondern auch um eine klarere Positionierung Pekings gegenüber Russland zu bitten. „Denn das Prinzip der Nicht-Einmischung, das China hochhält, verbietet eigentlich jedes Verständnis für den Überfall auf die Ukraine“, sagt ein Regierungsmitglied. Andererseits aber ist Russland einer der engsten Verbündeten Chinas. 

DER CLOU MIT DEN ATOMWAFFEN

In Peking fand Scholz immerhin einen Weg, wie ein möglicher Kompromiss bei G20 aussehen könnte: Weil es als unrealistisch gilt, dass China von Moskau abrücken wird, verlegte sich Scholz darauf, von Präsident Xi Jinping eine gemeinsame Warnung vor der Eskalation des Ukraine-Konflikts mit Atomwaffen zu erhalten. Der Plan ging auf: Noch während Scholz auf dem Rückflug nach Berlin war, zitierten chinesische Staatsmedien Xi mit dieser Warnung. Zuvor hatten auch etliche westliche Regierungen Putin vor dem Einsatz von Atombomben gewarnt. 

Viel weiter kam aber auch Scholz mit allem Dialogwillen bisher nicht. Südafrikas Ministerpräsident Cyril Ramaphosa hatte schon bei dem Besuch des Kanzlers klar gemacht, dass er wenig Interesse hat, sich gegen Russland zu stellen. Aus den verschiedensten Gründen wollen auch andere Staaten keine Frontstellung – weil sie wie Vietnam oder Indien abhängig von russischen Waffenlieferungen sind oder weil sie wie Indien billiges Öl von Moskau bekommen. Oder aber sie haben wie das G20-Land Saudi-Arabien Angst davor, selbst isoliert zu werden, falls den westlichen Ländern die Politik nicht passt. Immerhin hatte US-Präsident Joe Biden dem Golfstaat jüngst wegen der Kürzung der Ölfördermenge mit Konsequenzen gedroht.

Wenn die derzeitige indonesische G20-Präsidentschaft Pech hat, wird sie deshalb mit einer Premiere in die Geschichte der Treffen eingehen: Bei keinem der vielen G20-Ministertreffen unter ihrem Vorsitz hat sie nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen bislang eine Einigung auf eine gemeinsame Erklärung erzielen können. Das wird wohl auch beim Treffen der Regierungschefs so sein.

Der Ministerpräsident von Singapur, das als Gastland nach Bali eingeladen wurde, gibt sich deshalb auch pragmatisch. „Es wird sehr schwierig sein, in einigen Punkten eine Einigung zu erreichen“, sagte Lee Hsien Loong nach einem Treffen mit Scholz. Die G20 seien eben nicht wie nach der Finanzkrise 2008/2009 geeint, um als Industriestaaten gemeinsam gegen den Absturz der Weltwirtschaft vorzugehen. Nicht dass die Probleme wie etwa Klimawandel heute kleiner seien als damals. „Aber das Treffen zwischen Mr. Xi und Mr. Biden wird wahrscheinlich mehr Konsequenzen haben als alles, was wir in den G20 erreichen können“, fügt er in Anspielung auf das Treffen der Präsidenten der USA und Chinas hinzu.

Front gegen Russland gesucht – Noch hofft Scholz auf G20-Gipfel

Quelle: Reuters

Titelfoto: Bild von WikiImages auf Pixabay

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