Freitag, November 22, 2024
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Ökonomen zur deutlichen Zinserhöhung der EZB

Update Berlin, 27. Okt – Die Europäische Zentralbank (EZB) bekämpft mit einer weiteren kräftigen Zinserhöhung die Rekord-Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Viele Ökonomen hatten damit gerechnet. Erste Stimmen zum Zinsentscheid:

MARCEL FRATZSCHER, PRÄSIDENT DES DIW:

„Die größte Hilfe bei der Inflationsbekämpfung erhält die EZB von der Bundesregierung und anderen Regierungen, die mit Preisdeckeln für Gas und Strom die Inflation erheblich senken werden. Der Höhepunkt der Inflation dürfte bereits überschritten sein, auch wenn die Inflation im kommenden Jahr noch immer deutlich zu hoch bleiben dürfte.“ 

JAN HOLTHUSEN, DZ BANK RESEARCH:

„Zwar können die Notenbanker kurzfristig nur wenig dazu beitragen, die Teuerung zu dämpfen. Ihre entschlossene Haltung demonstriert aber, dass die Institution gewillt ist, die massive Zielverfehlung von zwei Prozent nicht auf Dauer zu tolerieren. Trotzdem ist die EZB mit ihren Zinserhöhungen zu spät dran. Erste Erhöhungen wären schon vor einem Jahr angebracht gewesen.“

MICHAEL PETERS, EXPERTE DER BÜRGERBEWEGUNG FINANZWENDE:

Die Entscheidung der EZB, die TLTRO-Bankensubventionen zu beenden, „war überfällig, denn viel zu lang konnten Banken praktisch leistungslose Gewinne einsacken. Immerhin hat die EZB nun auf die Kritik reagiert und die Subventionen eingeschränkt. Bei ähnlichen Fällen in der Zukunft sollte die EZB jedoch schneller auf Missstände reagieren.“

JÖRG TREIER, DIHK-AUSSENWIRTSCHAFTSCHEF:

„Ein ‚Soft Landing‘ wird der EZB wohl nicht mehr gelingen. Dafür ist die Gemengelage inzwischen zu schwierig. (…) Das Zeitfenster, in dem die EZB ihre Politik noch hätte normalisieren können, ist eigentlich schon vorbei. (…) Die EZB kann mit ihrem Handeln zwar nicht die importierten Inflationstreiber in Form der dramatisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise komplett einfangen. Jedoch würde ohne Zinsanhebung der Euro gegenüber dem Dollar noch schwächer werden. Dann würde importiere Energie sogar noch teurer werden als ohnehin schon.“

JÖRG ANGELE, SENIOR-VOLKSWIRT BEI BANTLEON:

„Die EZB zeigt sich entschlossen, die Leitzinsen nach ihrem bis Ende 2021 zu zögerlichen Agieren nun rasch nach oben zu führen. Allerdings tritt man rhetorische bereits auf die Bremse. Die vorgenommenen Adaptionen in der Wortwahl halten wir für signifikant. Offenbar haben inzwischen auch einige EZB-Ratsmitglieder erkannt, dass es nicht sinnvoll ist, den Leitzins in die abzeichnende Rezession hinein kräftig anzuheben. Wir bleiben daher bei unserer Einschätzung, dass die EZB nach einer weiteren Zinsanhebung im Dezember um 50 Basispunkte zunächst eine Zinsanhebungspause einlegt.“

HENRIETTE PEUCKER, STELLVERTRETENDE HAUPTGESCHÄFTSFÜHRERIN BANKENVERBAND:

„Die EZB setzt ihren Zinserhöhungsprozess entschlossen fort. Das ist nötig, denn die Inflation im Euroraum erweist sich als immer hartnäckiger. Die viel zu hohe Teuerung belastet zusehends die Konsumnachfrage. Aber auch die Ertragsperspektiven der Firmen werden durch enorme Kostensprünge massiv beeinträchtigt. Die Zinsschritte sind das wichtigste Instrument der EZB, um gegen die aktuelle Inflationsdynamik anzugehen und das Risiko von Zweit- und Drittrundeneffekten zu begrenzen. Zudem werden sich auch die wirtschaftlichen Perspektiven im Euroraum ohne eine Trendwende bei der Inflation nicht aufhellen.“ 

ALTAF KASSAM, EMEA-CHEFSTRATEGE BEI STATE STREET GLOBAL ADVISORS:

„Die EZB hat mit ihrer Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte heute niemanden überrascht. Es gab im Vorfeld ein paar Gespräche über eine drastische Anhebung um 100 Basispunkte, aber das war nur eine sehr vage Möglichkeit und wurde nach der Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindizes am Montag vom Tisch genommen. Die Zinserhöhung zeigt, dass die EZB weiter auf Kritik reagiert, hinter die Kurve zurückzufallen, vor allem zur Fed.“

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUHÄUSER LAMPE:

„Die EZB liefert den nächsten Mega-Schritt. Hinsichtlich weiterer Leitzinserhöhungen scheint die Notenbank nun aber schon kalte Füße zu bekommen. So konstatiert sie ‚erhebliche‘ Fortschritte bei der Rückführung ihres expansiven Kurses. Für den künftigen Leitzinspfad betont sie neben den Inflations- nun auch die Wirtschaftsaussichten. Angesichts der bestehenden Rezessionsaussicht könnte ihr Zinserhöhungselan daher schneller versiegen. Ein Leitzinsgipfel über drei Prozent rückt damit weiter in die Ferne. Meinte es die EZB mit der Inflationsbekämpfung ernst, müsste sie den Leitzins in die Nähe der Inflationsrate anheben. Aktuell sieht es so aus, als zöge sich die EZB vom Leitzinsgefecht etwas zurück.“

MICHAEL HEISE, CHEFÖKONOM HQ TRUST:

„Die Falken im EZB-Rat haben die Oberhand behalten. Sie hatten bei dem größeren Zinsschritt die Argumente auf ihrer Seite.“

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

„Die EZB bleibt im Turbo-Modus. Die europäischen Währungshüter wollen in Anbetracht einer Inflationsrate von knapp zehn Prozent möglichst rasch mit den Zinsen nach oben. Immerhin liegt nun der Hauptrefinanzierungssatz bei zwei Prozent. Solch ein Zinsniveau war vor einiger Zeit noch undenkbar. In Anbetracht der hohen Teuerungsraten hat man auch im EZB-Hochhaus in Frankfurt Muffensausen zu bekommen. In den vergangenen Monaten wechselten immer mehr EZB-Mitglieder ins Lager der Falken. Das Ende der Fahnenstange ist deshalb auch noch nicht erreicht. Die EZB wird aller Voraussicht nach im Dezember mit einer Zinsanhebung um 50 Basispunkte nochmals nachlegen.“ 

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW:

„Dieser zweite große Zinsschritt in Folge war zwangsläufig. Die EZB hat im Vergleich zur Fed den rechtzeitigen Start bei der Zinswende verpasst. Daher muss sie angesichts der Rekord-Inflation jetzt besonders schnell aus dem Terrain unangemessen niedriger Leitzinsen heraus. Diesen Kurs tragen auch die bisherigen Tauben im EZB-Rat mit. Die wirklich kontroversen Debatten dürften dem Gremium erst im nächsten Jahr bevorstehen. Die hohe Inflation und noch mehr die gestiegenen Inflationserwartungen sprechen für Zinsanhebungen auf Werte in Richtung von vier Prozent im Jahresverlauf 2023.“ 

OTMAR LANG, CHEFVOLKSWIRT TARGOBANK:

„Ob der EZB-Rat so viel Glück haben wird und sich 2023 alles zum Guten wendet, ist noch nicht abzusehen. Auch wenn die Inflationsrisiken abnehmen sollten, die Gefahr einer mittelschweren Rezession im Euroraum steigt schneller und manifestiert sich mit fast allen Datenveröffentlichungen zur aktuellen Konjunkturentwicklung immer mehr. Doch dass die hohen Inflationsraten mittelfristig eine sehr hartnäckige Wachstumsbremse sind, haben inzwischen auch die Tauben im EZB-Rat verinnerlicht. So zieht der ganze Rat in der aktuellen Lage kontinuierlich am gleichen Strang und gibt damit ein entschlossenes Bild ab. Damit ist noch kein erfolgreiches Handeln garantiert, aber es sieht erfolgsversprechend aus. Die Angst vor der Rezession in 2023 hat sie alle in die gleiche Spur gebracht.“

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

„Die EZB sollte ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten weiter entschieden anheben und sich nicht von der anbahnenden Rezession irritieren lassen. Der Euroraum braucht einen EZB-Einlagensatz in der Größenordnung von vier Prozent. Andernfalls legen die zuletzt massiv gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zu, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest.“

ULRICH KATER, CHEFVOLKSWIRT DEKABANK:

„Eine entschlossene Inflationsbekämpfung durch einen großen Zinsschritt ist das einzig richtige Signal, welches die EZB senden musste. Es wird nicht die letzte Zinserhöhung sein. Zwar wird sich die Hälfte der gegenwärtig hohen Inflationsraten mit einer Beruhigung der Energiepreise im kommenden Jahr von selbst zurückbilden. Die andere Hälfte der Inflation wird jedoch über Zweitrundeneffekte noch lange nachwirken. Hier wird die EZB noch lange gegenhalten müssen. Und das bedeutet, dass die Zinsen in einer Rezession nicht gleich wieder gesenkt werden können.“

JÖRG ASMUSSEN, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER GDV:

„Die EZB hat im Moment keine leichten Entscheidungen mehr zu treffen: Wenn man zu spät mit dem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik beginnt, braucht man große Zinsschritte, auch wenn dadurch die Wahrscheinlichkeit steigt, zu einer Rezession beizutragen. Da das primäre Mandat der EZB Preisstabilität ist, war dies heute ein richtiger Schritt, dem vermutlich ein weiterer in diesem Jahr folgen wird.“

Ökonomen zur deutlichen Zinserhöhung der EZB

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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