Freitag, April 19, 2024
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EZB stemmt sich erneut mit Riesen-Zinsschritt gegen die Rekordinflation

Frankfurt, 27. Okt – Die EZB stemmt sich trotz zunehmender Rezessionssorgen mit einer weiteren Jumbo-Zinserhöhung gegen die von Rekord zu Rekord eilende Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Dies ist nach September die zweite XXL-Zinserhöhung in Folge. „Wir werden weitere Zinsanhebungen in der Zukunft haben“, sagte Lagarde. „Wir sind noch nicht fertig – es ist noch eine weitere Wegstrecke zu gehen.“ Sie kündigte zudem an, dass die EZB noch dieses Jahr über wichtige Weichenstellungen für einen künftigen Bilanzabbau beraten wird.

Die Reaktionen aus der Politik und Wirtschaft fielen positiv aus. „Ich begrüße, dass die EZB ganz entschlossen die Inflation bekämpft“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner. „Das ist auch das Bemühen der Bundesregierung.“ Geld- und Finanzpolitik müssten Hand in Hand arbeiten und nicht gegeneinander. Aus Sicht des Außenwirtschaftschefs des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, kann die EZB zwar nicht die importierten Inflationstreiber in Form der massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise voll einfangen. „Jedoch würde ohne Zinsanhebung der Euro gegenüber dem Dollar noch schwächer werden,“ fügte er hinzu. Dann würde importierte Energie sogar noch teurer werden als ohnehin schon. 

Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sollte die EZB die Zinsen in den kommenden Monaten weiter entschieden anheben und sich nicht von der anbahnenden Rezession irritieren lassen. „Der Euroraum braucht einen EZB-Einlagensatz in der Größenordnung von vier Prozent“, so Krämer. Andernfalls würden die deutlich gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zulegen, und die hohe Inflation setze sich dauerhaft fest.

REKORDINFLATION ZWINGT ZU ENTSCHIEDENEM HANDELN

Mit ihrem abermaligen großen Zinsschritt reagieren die Währungshüter auf den anhaltenden Preisschub. Angetrieben von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Ukraine-Kriegs ist die Inflationsrate im September auf 9,9 Prozent geklettert – das höchste Niveau seit Gründung der Währungsunion. Die Teuerung liegt inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent, das sie als ideal für die Wirtschaft erachtet. „Der Preisdruck ist ersichtlich in mehr und mehr Sektoren“, sagte Lagarde. „Die Abwertung des Euros hat zum Aufbau von Inflationsdruck beigetragen.“ Seit Jahresbeginn hat der Euro zum Dollar rund zwölf Prozent an Wert eingebüßt. Für die EZB ist das ein Problem. Denn der niedrige Euro-Kurs sorgt dafür, dass sich viele Importe wie etwa Öl verteuern, was die Inflation im Euro-Raum weiter anheizt.

EZB GEHT EXTRAGEWINNE DER BANKEN AN

Die EZB kündigte zudem an, die risikolosen Extragewinne der Banken zu begrenzen, die ihnen aufgrund der Zinswende nun im Zusammenhang mit einer früheren Serie zielgerichteter langfristiger Kreditspritzen (TLTRO III) mit supergünstigen Konditionen zufließen. Diese Extragewinne waren bei Auflage des Programms so nicht geplant gewesen und waren den Währungshütern zuletzt ein Dorn im Auge – zumal sie dem Straffungskurs zuwider laufen und bei den nationalen Euro-Notenbanken für Belastung sorgen.

Denn es geht um viele Milliarden Euro. Die EZB kündigte nun an, die Zinskonditionen für diese TLTRO-III-Kreditspritzen mit Wirkung zum 23. November 2022 nachträglich zu verändern. Bankenverbände kritisierten die Entscheidung. Geldhäuser hätten sich darauf verlassen, dass diese Konditionen Bestand haben. „Die nachträgliche, einseitige Änderung der Vertragskonditionen, könnte das Vertrauen der Finanzmarktteilnehmer in die Notenbanken als Geschäftspartner beschädigen“, erklärte der Privatbankenverband BdB.

Bei der EZB wird nun auch bald das Thema Bilanzabbau auf der Agenda stehen. Lagarde kündigte an, dass die Notenbank noch dieses Jahr über erste Weichenstellungen für einen künftigen Bilanzabbau beraten wird. Dabei hat die EZB zunächst die Anleihenbestände aus dem älteren APP-Kaufprogramms im Blick. Aktuell werden die Gelder aus auslaufenden Anleihen noch vollständig reinvestiert. Zwar seien die substanziellen Themen auf der Zinssitzung nicht besprochen worden, sagte Lagarde. „Aber was wir beschlossen haben, ist, dass wir diese Diskussion fortsetzen und im Dezember über die wichtigsten Grundsätze der Verringerung unseres geldpolitischen APP-Portfolios entscheiden werden.“ Die letzte Zinssitzung in diesem Jahr ist am 15. Dezember. 

Die Bilanz der Euro-Notenbank ist im Zuge der jahrelangen massiven Anleihenkäufe auf inzwischen fast neun Billionen Euro angeschwollen. In der Fachwelt wird ein Bilanzsummenabbau über eine Verringerung der Anleihenbestände als quantitative Straffung bezeichnet. Die Währungshüter hatten sich unlängst bei einem Treffen in Zypern erstmals damit beschäftigt. Mit den Diskussionen vertraute Insider hatten damals gesagt, dass ihnen dabei ein vorläufiger Zeitplan für den Bilanzabbau vorgelegt wurde. Dieser sehe vor das ein Abschmelzen der Anleihenbestände womöglich im zweiten Quartal 2023 starten könne. Mehrere Währungshüter, darunter Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, hatten sich bereits dafür ausgesprochen, das Thema rasch anzugehen.

EZB stemmt sich erneut mit Riesen-Zinsschritt gegen die Rekordinflation

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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