Zürich, 25. Jan (Reuters) – In der Schweiz hat am Dienstag der aufsehenerregendste Wirtschaftsprozess seit 15 Jahren begonnen. Dem ehemaligen Chef der Schweizer Bankengruppe Raiffeisen, Pierin Vincenz, wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem Betrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung vor. Zum Beginn forderten die Verteidiger von Vincenz sowie des zweiten Hauptangeklagten, den Prozess zu vertagen.
Die Anwälte begründeten die Forderung unter anderem mit der krankheitsbedingten Abwesenheit eines weiteren Angeklagten sowie einer aus ihrer Sicht unvollständigen Beweiserhebung. Das Recht auf Verteidigung sei damit eingeschränkt. Die Staatsanwaltschaft sprach sich für eine Fortsetzung der Verhandlung aus. Nach Abschluss einer Reihe von weiteren Wortmeldungen dürfte der Richter einen Entscheid fällen.
Der Prozess sprengt die in der Schweiz üblichen Dimensionen. Statt im Gerichtsgebäude findet der Auftakt des Verfahrens in einem Konzertsaal in Zürich statt. Das Interesse der Öffentlichkeit hat unter anderem damit zu, dass Vincenz als Ex-CEO der drittgrößten Schweizer Bankengruppe einer der bekanntesten Manager des Landes war.
Im Gegensatz zu den Spitzenkräften der anderen Großbanken gab er sich volksnah, 2014 wurde er von einem Magazin zum „Banker des Jahres“ gekürt. Auch Kritiker gestehen ihm zu, dass er Raiffeisen zu neuem Schwung verholfen habe.
Im Visier der Justiz stehen vor allem eine Reihe von Firmenübernahmen, die Vincenz als Raiffeisen-Chef sowie als Präsident der Kreditkartenfirma Aduno verantwortete. Der Staatsanwaltschaft zufolge war Vincenz dabei verdeckt an den Übernahmezielen beteiligt.
Damit habe er einen unrechtmäßigen persönlichen Gewinn von fast neun Millionen Franken eingefahren, so die Staatsanwaltschaft. Zudem habe er dem Institut Ausgaben belastet, für die es keinen geschäftlichen Grund gegeben habe. So habe er über 200.000 Franken in Stripclubs und Kontaktbars ausgeben. Kosten von rund 3800 Franken habe er Raiffeisen aufgebürdet, um die Reparatur eines Hotelzimmers zu begleichen, das bei einem privaten Beziehungsstreit beschädigt worden sei.
Vincenz saß in Zusammenhang mit dem Verfahren bereits wochenlang in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren. Vincenz bestreitet, Gesetze gebrochen zu haben.
Das Gericht muss in dem erstinstanzlichen Prozess beurteilen, ob das Vincenz und seinen Mitangeklagten zur Last gelegte Verhalten strafbar ist. Experten halten Schuldsprüche keineswegs für ausgemacht. Gegen das Urteil können die Parteien Berufung einlegen. Im spektakulärsten Schweizer Wirtschaftsstrafverfahren, dem Prozess rund um die Pleite der Fluggesellschaft Swissair im Jahr 2007, waren alle Angeklagten schuldig gesprochen worden.
Schweizer Star-Banker fordert Aufschub des Betrugsverfahrens
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