Berlin, 05. Sep – Angesichts erneut drastisch steigender Gaspreise verschärft sich der Ton der Auseinandersetzung über das Entlastungspaket der Ampel-Koalition. Während die Bundesregierung ankündigte, man arbeit mit Hochdruck an der Umsetzung der Beschlüsse von Sonntag, warf die Union der Regierung vor, an einem völlig falschen Ende anzusetzen und einen Zusammenbruch des Strommarktes zu riskieren.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit warf Russland am Montag vor, mit dem anhaltenden Lieferstopp von zugesagten russischen Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 bewusst den Preisanstieg zu provozieren. Den Entlastungseffekt des Maßnahmenpakets der Ampel-Regierung bezifferte er auf mehr als 65 Milliarden Euro. CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisierte, dass die Regierung durch Inflation und die Umsatz- und Lohnsteuer rund 60 bis 65 Milliarden Euro mehr einnehme – der echte Entlastungseffekt also gering sei.
Am Sonntag hatten sich SPD, Grüne und FDP auf ein 13-seitiges Papier geeinigt, das unter anderem eine Strompreisbremse, eine Wohngeldreform und Direktzahlungen an Studenten und Rentner auflistet. Es ist aber noch ungeklärt, ab welchem Betrag die Strompreisbremse für einen Grundverbrauch von Haushalten greifen soll – und wie genau durch die Abschöpfung höherer Preise bei den Erzeugern der Strompreis für alle gesenkt werden soll. Einzelheiten könnten beim EU-Energieminister-Treffen am 9. September geklärt werden, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Unklar ist auch, wann eine Entscheidung über eine angedachte Gaspreisbremse fallen könnte. Für diese ist im Koalitionspaket nur eine Prüfung vorgesehen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich pochte aber darauf, dass auch bei der Wärme eine Deckelung der Preise für den Grundverbrauch kommen müsse.
CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz warf der Regierung vor, sie verteile zwar Geld, kümmere sich aber nicht um das Kernproblem, nämlich eine ausreichende Energieversorgung. „Es gibt vor allem eine Angebotslücke“, sagte er. Und diese treibe die Preise. Merz forderte zudem einen Gaspreisdeckel, der im Großhandel ansetzen sollte. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, eine Strompreisbremse sei zum Scheitern verurteilt, wenn man nicht bei den enormen Preissteigerungen beim Gas ansetze.
Der erneute Stopp russischer Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 löste am Montag eine erneute Rally beim Gaspreis aus, der zuletzt aber von seinem Höchststand von 345,50 Euro pro Megawattstunde deutlich gefallen war. Der europäische Future lag am Montagnachmittag mit 270 Euro je Megawattstunde rund 30 Prozent höher als am Freitag. Zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar hatte der Preis deutlich niedriger gelegen. Die Strompreise waren unter anderem deshalb so stark gestiegen, weil teures Gas für die Verstromung eingesetzt wird.
Kanzler Olaf Scholz hatte zuletzt mit Blick auf die Versorgungssicherheit gesagt, dass Deutschland gut durch den Winter kommen werde. Auf die Frage, ob dies auch gelte, wenn Russland gar kein Gas mehr liefere, sagte der Regierungssprecher am Montag, dass die Regierung alles dafür tun werde. Er verwies auf mittlerweile zu mehr als 85 Prozent gefüllte Gasspeicher in Deutschland sowie die Planung von LNG-Flüssiggas-Terminals an der deutschen Küste. Scholz bemühe sich schnellstmöglich um einen Termin für ein Treffen mit den 16 Ministerpräsidenten, sagte der Regierungssprecher. Etliche Maßnahmen wie ein Mobilitätsticket können nur gemeinsame von Bund und Ländern umgesetzt werden.
Oppositionsführer Merz bot der Regierung angesichts der Schwere der Krise eine Zusammenarbeit an. Die Beschlüsse vom Wochenende seien viel zu unkonkret, um Abhilfe schaffen zu können. Die Union wolle im Bundestag zudem die umstrittenen Gasumlage noch zu Fall bringen, kündigte er an.
Gaspreis steigt kräftig – Streit um Entlastungspaket
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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