Frankfurt, 26. Jul (Reuters) – Die EZB-Bankenaufsicht sorgt sich angesichts der Zinswende in der Geldpolitik um die Staatsanleihen-Bestände in den Bilanzen der Geldinstitute. „Diesem Bereich widmen wir uns zurzeit mit hoher Priorität“, sagte EZB-Bankenaufseherin Elizabeth McCaul in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der „Börsen-Zeitung“. Eine der Schwachstellen, die die Aufsicht im Zusammenhang mit den Aufsichtsprioritäten festgestellt habe, sei die Anfälligkeit für Zins- und Kreditspread-Schocks. „Wir führen deshalb gezielte Überprüfungen durch und stehen gegebenenfalls in engem Kontakt mit den Banken hinsichtlich ihrer Staatsanleihebestände“, sagte McCaul.
Zuletzt waren unter anderem die Renditeaufschläge (Spreads) italienischer Staatsanleihen zu Bundesanleihen kräftig gestiegen. Denn Investoren blicken angesichts des geldpolitischen Schwenks der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder verstärkt auf die Risikoprofile der einzelnen Euro-Länder. Hohe Staatsanleihen-Bestände in den Bankbilanzen machen Institute verwundbar, sollten Unsicherheiten über die Tragfähigkeit von Staatsschulden zu starken Kursverlusten bei den Titeln führen.
Die EZB-Bankenaufsicht fordert die Geldinstitute zudem auf, die Auswirkungen eines Ausfalls der Gaslieferungen auf ihre Bilanzen unter die Lupe zu nehmen. „Vor uns liegt ein realistisches Szenario einer Unterbrechung von Gas- und Öllieferungen“, sagte McCaul. „Deshalb fordern wir die Banken auf, zu prüfen, was solche adversen Szenarien für ihre Bilanzen bedeuten würden“, sagte die Aufseherin.
Die russische Gazprom hatte am Montag eine Halbierung der Liefermenge gen Westen durch die wichtige Nord-Stream-1-Pipeline angekündigt. In Brüssel hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einigen Tagen gesagt, dass sie den völligen Stopp von Lieferungen Russlands für ein „wahrscheinliches Szenario“ halte. Die EU-Kommission hat von den 27 EU-Staaten in den kommenden Monaten in einem Notfallplan deshalb Gas-Einsparungen von jeweils 15 Prozent gefordert.
„Ein adverses Szenario wird betrachtet, damit die Bank herausfindet, welche Änderungen sie an ihrem Risikoprofil vornehmen sollte und wie sie ihre strategische Planung anpassen sollte“, sagte McCaul. Es gebe zahlreiche Maßnahmen, die Banken dann ergreifen könnten. Nähere Einzelheiten nannte sie allerdings nicht. Nach Einschätzung der Aufseherin ist der Bankensektor insgesamt mit starken Kapital- und Liquiditätspositionen in das Jahr 2022 gegangen. Die direkten Engagements gegenüber Russland und der Ukraine seien relativ begrenzt.
EZB-Aufsicht prüft Staatsanleihen-Bestände in den Bank-Bilanzen
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