Frankfurt, 06. Jul (Reuters) – Trotz der Angst vor einer Rezession sind Europas Anleger zur Wochenmitte wieder an die Aktienmärkte zurückgekehrt. An den Rohstoff- und Devisenmärkten und der Wall Street blieb die Stimmung hingegen angeschlagen. Der Dax legte 1,6 Prozent auf 12.594 Punkte zu, der EuroStoxx50 stieg um 1,8 Prozent. „Die gute Nachricht für den Moment lautet, dass die Verkäufe aufgehört haben“, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst bei CMC Markets. Dennoch benötige der Markt nach dem jüngsten Ausverkauf für eine neue Bodenbildung höchstwahrscheinlich noch mehrere Wochen. Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.Com, bezeichnete die aktuelle Rally als „Dead Cat Bounce“. Mit dem Bild der wieder hochspringenden toten Katze beschreiben Börsianer kurzzeitige Kurserholungen in einem längerfristigen Abwärtstrend.
An den US-Börsen drückte die Angst vor einem Abwürgen der Konjunktur durch aggressive Zinserhöhungen die Kurse. Vor der Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle der US-Notenbank Fed nahm die Unsicherheit bezüglich des künftigen Zinstempos zu. Auch an den Rohstoffmärkten wappneten sich Investoren vor einem Nachfragerückgang. Der Preis für die Nordsee-Sorte BrentLCoc1 rutschte erstmals seit April wieder unter 100 Dollar je Fass (159 Liter) und kostete mit 99,15 Dollar rund 3,5 Prozent weniger. Am Dienstag war der Kurs wegen der Angst der Investoren vor einer Rezession um fast zehn Prozent eingebrochen.
EURO FÄLLT WEITER RICHTUNG PARITÄT
Unter Druck blieb auch der Euro, der um bis zu ein Prozent abwertete und mit 1,0161 Dollar den zweiten Tag in Folge ein 20-Jahres-Tief markierte. „Zum einen belasten die offensichtlichen Rahmenbedingungen aus steigender Inflation und geopolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine, inklusive der drohenden Energiekrise“, sagte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. „Zum anderen sind die hohen Zinsdifferenzen zwischen Europa und den USA ausschlaggebend. In den USA wurden die Zinsen durch die Fed bereits mehrfach angehoben, in der Eurozone noch nicht.“ Damit rückt Strategen zufolge für den Euro der Rutsch unter die Parität immer näher. Zuletzt hatte der Kurs im Dezember 2002 weniger als einen Dollar betragen.
Das Pfund lag angesichts der Regierungskrise in London rund ein halbes Prozent schwächer bei 1,1894 Dollar. Die Reaktion auf die Rücktritte mehrerer Minister und Staatssekretäre halte sich aber noch in Grenzen, sagte Ökonom David Page von AXA Investment Managers. „Jedoch je länger die politische Unsicherheit in Großbritannien anhält, desto mehr würden wir erwarten, dass sie sich an den britischen Finanzmärkten bemerkbar macht.“ Ungeachtet der Proteste will der unter Druck stehende britische Premierminister Boris Johnson seine Regierungsarbeit fortsetzen.
GRUBHUB/AMAZON-DEAL BEFLÜGELT JUST EAT TAKEAWAY
Die Aussicht auf weitere Rückstellungen für Krisenzeiten trieb Investoren aus britischen Finanzwerten. Die Aktien der Großbanken Barclays, HSB und Standard Chartered fielen um bis zu 2,3 Prozent. Wegen trüber Konjunkturaussichten mahnte die Bank von England (BoE) die Geldhäuser, ihre Kapitalpuffer aufzustocken.
Just Eat Takeaway stachen mit einem Kursplus von 15,5 Prozent heraus. GrubHub, die US-Tochter des Essenslieferanten, geht eine Partnerschaft mit Amazon ein, die eine Beteiligung des amerikanischen Online-Händlers einschließt. Die Analysten der Credit Suisse sehen die Chance für weitere Gemeinschaftsprojekte. Die drohende Verschärfung des Wettbewerbs drückte die GrubHub-Rivalen DoorDash und Uber bis zu neun Prozent ins Minus.
Nach einem optimtischeren Ausblick rissen sich die Anleger um Metro. Die Aktien des Großhändlers legten 4,1 Prozent zu. Für das Geschäftsjahr 2021/22 rechnet der Konzern nunmehr mit einem Umsatzwachstum von bis zu 22 Prozent.
Aktienmärkte blenden Sorgen aus – Öl und Euro unter Druck
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