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Nato rechnet mit langem Ukraine-Krieg – Russland verstärkt Angriffe

Kiew/Berlin, 19. Jun (Reuters) – Der Krieg in der Ukraine könnte nach Einschätzung der Nato noch Jahre dauern. Darauf müsse man sich vorbereiten, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der „Bild am Sonntag“. „Wir dürfen nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen.“ Ähnlich äußerte sich der britische Premierminister Boris Johnson in einem Gastbeitrag für die „Sunday Times“.

Im Osten der Ukraine verstärkten die russischen Truppen am Wochenende ihre Angriffe, nachdem die EU-Kommission am Freitag empfohlen hatte, dass die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten erhält. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete in einem Video von seinem Truppenbesuch am Samstag im Süden. Er habe mit Soldaten, der Polizei und der Nationalgarde in der Region Mykolajiw gesprochen. „Sie alle zweifeln nicht an unserem Sieg“, sagte er. „Wir werden den Süden niemandem überlassen, und alles, was uns gehört, werden wir uns zurückholen.“

„Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte“, sagte Stoltenberg über den Krieg, der mit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar begonnen hat. Man dürfe nicht nachlassen, der Ukraine zu helfen. „Auch wenn die Kosten hoch sind, nicht nur für die militärische Unterstützung, auch wegen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise.“ Das sei aber kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukrainer jeden Tag mit vielen Menschenleben zahlen müssten. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin aus diesem Krieg die Lehre ziehe, dass er so weitermachen könne wie nach dem Georgien-Krieg 2008 und der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim 2014, „dann bezahlen wir einen viel höheren Preis“.

Auch nach Johnsons Einschätzung muss sich der Westen auf einen langen Krieg einstellen. Dies bedeute sicherzustellen, dass „die Ukraine schneller Waffen, Ausrüstung, Munition und Ausbildung erhält als der Eindringling“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Londoner „Sunday Times“. „Zeit ist der entscheidende Faktor“, heißt es darin weiter. „Alles wird davon abhängen, ob die Ukraine ihre Fähigkeit, ihr Territorium zu verteidigen, schneller stärken kann, als Russland seine Angriffsfähigkeit erneuern kann.“ 

„DER KAMPF UM DIE KONTROLLE ÜBER SJEWJERODONEZK GEHT WEITER“

Die russischen Truppen haben ihre Angriffe im Osten der Ukraine verstärkt. So lag die Industriestadt Sjewjerodonezk nach Angaben des ukrainischen Militärs unter schwerem Artillerie- und Raketenbeschuss. „Der Kampf um die vollständige Kontrolle über die Stadt geht weiter“, erklärte der Generalstab. „Alle Behauptungen Russlands, dass sie die Stadt kontrollieren, sind Lügen“, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, im ukrainischen Fernsehen. „Sie kontrollieren den größten Teil der Stadt, aber nicht die ganze Stadt.“ Die Gebiete um die Brücken in Sjewjerodonezk seien erneut getroffen worden, teilte er zudem in einem Online-Post mit. Das Asot-Chemiewerk, in dem Hunderte Menschen ausharren, sei zweimal getroffen worden. „Die Situation in Sjewjerodonezk ist sehr schwierig.“ Die Stadt liegt in der Region Luhansk, die mit der Region Donezk den Donbass bildet. Dort konzentriert Russland seine Offensive.

Die russischen Truppen versuchten dem ukrainischen Innenministeriums zufolge aber auch, auf Charkiw vorzurücken und die Stadt erneut zu bombardieren. Die Lage nördlich von Charkiw sei ziemlich schwierig, sagte Wadym Denysenko, ein Berater des Ministeriums, im ukrainischen Fernsehen. „Russland versucht, Charkiw zu einer Stadt an vorderster Front zu machen.“ Charkiw liegt in der gleichnamigen Region im Nordosten und ist nach der Hauptstadt Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg zollte den ukrainischen Soldaten Respekt. Obwohl der Kampf im Donbass von Russland immer brutaler geführt werde, leisteten sie tapferen Widerstand. Mit weiteren modernen Waffen steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine Putins Truppen auch aus dem Donbass vertreiben könne. Angesprochen auf atomare Drohungen sagte Stoltenberg, man sehe keine höhere Bereitschaftsstufe bei den russischen Atomstreitkräften. „Dennoch ist das nukleare Säbelrasseln Russlands gefährlich und unverantwortlich. Putin muss wissen: Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen, und er darf nie geführt werden. Unser klares Signal an Russland: Die Nato schützt alle Mitgliedstaaten.“

Nato rechnet mit langem Ukraine-Krieg – Russland verstärkt Angriffe

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