Brüssel, 06. Mai (Reuters) – Im Ringen um ein Öl-Embargo gegen Russland geht die EU-Kommission Diplomatenkreisen zufolge auf osteuropäische Staaten zu. Ungarn, Tschechien und die Slowakei sollten längere Übergansfristen bis zu einem Stopp der Einfuhren bekommen, sagte ein EU-Diplomat am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.
So sei für Ungarn und die Slowakei eine Frist bis Ende 2024 für russisches Öl geplant. Für Tschechien soll sie bis Mitte 2024 gelten, es sei denn, eine neue Pipeline über Südeuropa werde früher fertig. Die Ausnahmeregelungen sollten grundsätzlich nur für Pipeline-Öl gelten. Zudem soll es Hilfen für neue Öl-Versorgungsanlagen geben. Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, wenn es am Wochenende keine Einigung der Staaten auf das Embargo gebe, werde er ein Außenminister-Sondertreffen einberufen.
Die Kommission hatte am Mittwoch ein sechstes Sanktionspaket einschließlich eines Öl-Embargos beschlossen. Danach sollten in sechs Monaten alle Rohöl-Einfuhren gestoppt und bis Ende des Jahres auch alle verarbeiteten Öl-Produkte nicht mehr eingeführt werden. Ungarn und die Slowakei sollten EU-Kreisen zufolge eine Ausnahme bis Ende 2023 bekommen. Dennoch hatten die Regelungen bei mehreren osteuropäischen Ländern, die besonders abhängig von russischem Öl sind, für Kritik gesorgt,
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban lehnte das gesamte Paket, das auch Sanktionen gegen Banken und gegen mutmaßlich Verantwortliche für Kriegsverbrechen einschließt, ab. Sein Land könne es in der gegenwärtigen Form nicht unterstützen, sagte er dem staatlichen Rundfunk. Die Vorschläge der EU-Kommission kämen dem Abwurf einer Atombombe auf die ungarische Wirtschaft gleich. Ungarn sei aber bereit zu verhandeln, sollte es einen neuen Vorschlag geben, der den ungarischen Interessen entspreche. Ungarn ist in der EU das Land, mit den engsten Beziehungen zu Russland.
Auch die Slowakei und Tschechien hatten eine dreijährige Übergangsfrist bei den Öl-Importen gefordert. Bulgarien hat ebenfalls auf Ausnahmen gedrängt. In EU-Kreisen hieß es, sie hätten dafür aber keine ausreichende Begründung. Eine Verlängerung bis ins Jahr 2024 der Fristen würde den Ländern in diesem Punkt aber so schon ein Stück entgegenkommen.
DEUTSCHLAND WANDELTE SICH ZUM EMBARGO-UNTERSTÜTZER
Um ein Öl-Embargo wird seit Wochen intensiv gerungen. Experten-Schätzungen zufolge haben die EU-Länder seit Kriegsbeginn Russland etwa 20 Milliarden Euro für Öl überwiesen. Deutschland hatte nach anfänglicher Skepsis seinen Widerstand aufgegeben und die Embargo-Pläne unterstützt. Hintergrund ist, dass die Abhängigkeit von russischen Importen schneller als vermutet von einst 35 Prozent auf rund zwölf Prozent gesunken ist. Eine Regierungssprecherin sagte, die Sanktionen müssten vor allem Russland treffen. In diesem Lichte seien die Beratungen über mögliche Ausnahmen oder Verlängerungen zu sehen.
Wirtschaftsminister Habeck hatte die ursprünglich geplanten Fristen für Deutschland als lang genug eingestuft, um Alternativen bei den Lieferungen zu finden. Dennoch könne es Probleme geben, hatte er mit Blick auf Ostdeutschland gesagt. „Wir können natürlich nicht in der Situation garantieren, dass es nicht stockend wird, vor allem regional stocken wird.“ Tendenziell könnten auch die Preise steigen, man könne da aber nur spekulieren.
Habeck zufolge werden die verbliebenen zwölf Prozent Anteil russischen Öls im Wesentlichen von der Raffinerie Schwedt an der Oder verarbeitet, die vom russischen Rosneft-KonzernROSN.MM kontrolliert wird. Hier wird ein neue Konstruktion bei den Eigentümern gesucht, um dann die Öl-Lieferungen für Schwedt umzustellen. Habeck will die Raffinerie, die ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Brandenburg ist, am Montag besuchen.
EU-Kreise – Kommission kommt Osteuropäern bei Öl-Embargo entgegen
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