Eine aktuelle Schwellenländerstudie von Franklin Templeton.
Die Kapitalströme in die Schwellenländer haben viele Formen und sind seit Jahren ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche und finanzielle Leistung. Die Zweckmäßigkeit des Kapitalflusses in die Schwellenländer wurde beispielsweise in Anbetracht der Verwerfungen, die kurzfristige Schuldtitelinvestments bei einem Abzug von Kapital auslösen können, breit diskutiert. Anstatt Zeit für eine Diskussion über den Nutzen dieses Systems aufzuwenden, ist das aus unserer Sicht für die Schwellenländer dringlichere Thema nun das Kapital, das derzeit abgezogen wird oder für das nach einem Rollover höhere Kosten anfallen. Diese Aspekte werfen die Frage auf, wie gut die Schwellenländer in der Lage sein werden, sich anzupassen, und welche Länder gegenüber diesem Risiko am anfälligsten sind.
Die Schwellenländer kamen seit der globalen Finanzkrise lange Zeit in den Genuss relativ günstiger internationaler Finanzierungsmöglichkeiten. Da die Zinssätze in den Industrieländern für weite Teile dieses Zeitraums nahe null lagen, waren die Impulse durch ausländisches Kapital für die Schwellenländer aufgrund der Suche nach höheren Renditen im Ausland kräftig. Das Institute of International Finance (IIF) schätzt, dass die durchschnittlichen Kapitalzuflüsse durch gebietsfremde Investoren in die Schwellenländer (ohne China) zwischen 2015 und 2021 rund 700 Milliarden USD betrugen. Hierbei machten ausländische Direktinvestitionen (FDI) und Zuflüsse in Verbindung mit Bankgeschäften den Großteil des Gesamtbetrages aus, und die Portfoliozuflüsse den Rest. Zu den wichtigen Gründen für diese Entwicklung zählen – neben den offenkundig höheren Renditen – die potenziell höheren Wachstumsraten in den Schwellenländern sowie die erwartete breitere Konvergenz mit den Industrieländern im Laufe der Zeit.
Die Verwendungen ausländischen Kapitals sind sehr unterschiedlich und gehen mit deutlich voneinander abweichenden Risiken einher. An einem Ende des Spektrums stehen Investitionsvorhaben zur Bereitstellung von Infrastruktur mit langfristigem Kapital, das dem erwarteten Investitionsprofil des Vorhabens entspricht – diese sind eindeutig positiv zu bewerten. Dagegen geriet ausländisches Kapital dort in die Kritik, wo kurzfristige Schuldtitel für den Konsum anstatt für Investitionen eingesetzt wurden. Auf ein Jahr betrachtet, entspricht der Bedarf eines Landes an ausländischem Kapital beziehungsweise sein externer Finanzierungsbedarf der Summe aus den Zinsen für seine kurzfristigen Auslandsschulden und der Leistungsbilanz, sofern sie ein Leistungsbilanz-defizit aufweist.
Ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss erwirtschaftet positive externe Nettoeinnahmen, die dann von seiner Zinslast für kurzfristige Auslandsschul-den abgezogen werden. Länder mit hohen zu tilgenden Auslandsschulden und hohen Leistungsbilanzdefiziten unterliegen daher dem größten Risiko einer jähen Unterbrechung der Finanzierung aus dem Ausland. Internationale Reserven und andere Quellen der Fremdwährungsliquidität, die ein Land zur Verfügung hat, können natürlich eingesetzt werden, doch nur insoweit, wie sie vorhanden und verfügbar sind.
Wir haben ein quantitatives Screening erstellt, um Länder in unserem Anlageuniversum zu identifizieren, die bei zwei Kriterien, der Solvenz und der Liquidität, verwundbar sind. Bei Betrachtung der Tabelle ist zu erkennen, dass viele Länder in den Top 25 des gemischten Kriteriums (aus verschiedenen Gründen) keinen Zugang zu den Märkten haben oder, wie etwa Sri Lanka, Ghana und Sambia, beim Thema der potenziell/bereits notleidenden Staatsanleihen zu den üblichen Verdächtigen gehören. Mit Ägypten und Nigeria finden sich in den Top 10 des gemischten Kriteriums auch zwei große Länder.
Allerdings ist zu beachten, dass das schlechte Abschneiden Nigerias bei den Screening-Faktoren der Liquidität vor allem durch fehlende Daten und die Art und Weise, wie bei unserem Screening fehlende Daten bestraft werden, bedingt ist. Ägypten und Nigeria werden wir in dieser Publikation noch ausführlicher betrachten. Wir sehen auch Länder wie z. B. Äthiopien, die bei der langfristigen Solvenz gut und bei der Liquidität aufgrund ihres beschränkten Zugangs zu harten Währungen schlecht abschneiden, die jedoch eine recht stabile Verschuldung und durchaus nachhaltige Schuldenkennzahlen aufweisen.
Fazit
Die Aussicht, dass ein großer Teil der Schwellenländer für lange Zeit nicht in der Lage ist, neue kommerzielle Schuldtitel zu begeben, ist eine der vielen unerwarteten Konsequenzen der Entwicklung weg von Nullzinsen in den Industrieländern hin zum heutigen Niveau. Generell nutzten die Schwellenländer die vergangenen 15 Jahre gut, indem sie die Fälligkeit und Laufzeit ihres Bestandes an Auslandsschulden verlängerten und in gewissem Maße die Puffer vergrößerten. Jene Länder, die Investment-Grade-Status erreicht haben, waren im Großen und Ganzen auch in der Lage, ihre Haushaltslage zu verbessern, und sind daher gegenwärtig mit einem begrenzten Risiko der Überschuldung konfrontiert, da sie, wenn auch zu deutlich höheren Zinskosten als zuvor, neue Schuldtitel begeben können.
Für Staaten ohne Investment-Grade-Status ist die unmittelbare Zukunft viel weniger absehbar. Erfahrungsgemäß konzentrieren sich Ausfälle infolge eines fehlenden Zugangs zu internationalem Kapital tendenziell auf die Tilgung kommerzieller Schuldtitel, in aller Regel Eurobonds, und nicht auf sonstige außenwirtschaftliche Zahlungen wie z. B. Kredite des öffentlichen Sektors oder Handelsströme. Die Ergebnisse unseres Screenings von Schwellenländer-Schuldtiteln auf Kennzahlen für externen Stress zeigen und bestätigen uns das Profil der durch diese Bedingungen am stärksten gefährdeten Länder und auch die Möglichkeit, dass diese Austrocknung ausländischer Kapitalzuflüsse in einer größeren Belastung der Staatsanleihenmärkte resultieren könnte, als gegenwärtig erwartet wird.
Die Kreditspread-Prämie von 600 Basispunkten (Bp.), die die derzeitige Obergrenze für den Marktzugang darstellt (was eine Gesamtrendite von 10 % impliziert), bedeutet, dass in den kommenden drei Jahren knapp 22 Milliarden USD an Eurobonds durch Staaten refinanziert werden müssen, die gegenwärtig nicht in der Lage sind, neue Schuldtitel an den internationalen Kapitalmärkten zu begeben. Die größten Summen müssen in Ägypten (6,8 Milliarden USD) und Pakistan (2,5 Milliarden USD) refinanziert werden. Knapp dahinter folgen die Mongolei und Nigeria mit jeweils 1,6 Milliarden USD. Jedes Land steht vor eigenen Herausforderungen bei der Deckung dieser Zahlungen und hat unterschiedliche Erfolgsaussichten.
All dies zeigt die Schwierigkeiten für die Schwellenländer insgesamt, seien es die Notwendigkeit umfassender Reformen im Falle von Ägypten und Nigeria oder die Suche nach alter-nativen Finanzierungsquellen im Falle der Mongolei, wo die Fälligkeitstermine von Schuldtiteln zu einem ungünstigen Zeitpunkt zusammenfallen. Mit der Notwendigkeit von Reformen in einem volatilen politischen Umfeld bei gleichzeitiger Verbesserung der Resilienz in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) steht Pakistan womöglich vor der schwierigsten Aufgabe. Trotz dieser hohen Hürden könnte die Ausgangslage in Bezug auf das Profil der Auslandsschulden dieser Länder und die Anlageklasse im Allgemeinen viel schlechter sein, und daher sind wir der Auffassung, dass das Ansteckungspotenzial unter diesen Ländern relativ begrenzt sein dürfte.
Welche Schwellenländer in eine Liquiditätsfalle geraten könnten
Auswertung als Länderübersicht und Foto von Nicholas Hardingham (Quelle: Franklin Templeton)
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