Frankfurt, 03. Feb – Die von der Hoffnung auf ein näher rückendes Ende der Zinserhöhungen der großen Notenbanken befeuerten Börsen werden in der neuen Woche den Realitätscheck bestehen müssen. In der alten Woche hatte der Dax bei einem Stand von 15.420 Punkten am Freitagmittag rund zwei Prozent gewonnen. Seit Jahresbeginn beträgt das Plus für den deutschen Leitindex derzeit rund elf Prozent.
„Nach einem völlig verkorksten Anlagejahr 2022 sind die Kapitalmärkte fulminant ins neue Jahr gestartet“, sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg. Den Börsenbullen dürfte die Puste seiner Ansicht nach noch nicht ausgehen. Die Aussicht auf eine US-Inflation von unter drei Prozent in der zweiten Jahreshälfte, Entspannung bei den Lieferkettenproblemen, billigere Transportkosten, die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft – das alles spreche für eine weitere Erholung der Aktienmärkte, fasst Klude zusammen.
Die Investoren wähnen sich entsprechend im sogenannten Goldilocks-Szenario und damit in der beste aller Welten aus Börsensicht, sagen die Strategen der Helaba. „Darin gelingt es den Notenbanken mit ihren Zinserhöhungen, die Inflation zu bekämpfen, ohne die Volkswirtschaften in eine tiefe Rezession zu stürzen.“ Für die deutsche Wirtschaft ist eine schnelle Besserung nach Meinung von Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen jedoch nicht in Sicht, da die Belastungen durch die hohen Energiepreise anhielten und sich die Zinserhöhungen der Notenbanken immer mehr bemerkbar machen dürften.
KONJUNKTURJUBEL NACH ZINSENTSCHEIDEN MUSS SICH BEWEISEN
Zwar drehten die drei großen Notenbanken Fed, EZB und Bank of England in der alten Woche erneut an der Zinsschraube und deuteten an, noch nicht am Ende angelangt zu sein. Doch das Tempo dürfte angesichts der nachlassenden Teuerung abnehmen und der Zinsgipfel zumindest bei der US-Notenbank nach Meinung der Börsianer bald in Sicht sein. „Zwar konzentriert sich die Fed weiter eindeutig auf die Bekämpfung der Inflation, aber so locker ist die Notenbank seit 2018/19 nicht mehr aufgetreten“, sagt Laura Frost, Investmentexpertin im Anleiheteam von M&G. „Damit ist auch klar, dass wir uns dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern.“ Die Hoffnungen auf ein „Soft Landing“ der US-Konjunktur steigen entsprechend.
Wie die Realität aussieht und ob die Zeichen für die Wirtschaft wirklich auf Entwarnung stehen, werden die Börsianer an den anstehenden Konjunkturdaten abklopfen. Dass die Investoren in der Euro-Zone im Februar weiter auf eine mild verlaufende Rezession hoffen, dürfte der Erwartungsindex der Investment-Beratungsfirma Sentix zum Wochenstart zeigen. Die deutschen Produktionsdaten der Industrie folgen am Dienstag.
Ob die Verbraucherpreise hierzulande im Januar weiter gestiegen sind, wird das Statistische Bundesamt bei der verspäteten Veröffentlichung der Daten am Donnerstag bekanntgeben. Ähnlich wie im Euro-Raum dürften die Preisbremsen bei Gas und Strom Wirkung zeigen, sagt die Helaba. „Für eine Entwarnung insbesondere mit Blick auf die Dynamik in der Kernrate ist es aber zu früh.“ Von Reuters befragte Volkswirte erwarten einen Anstieg auf 9,2 Prozent nach einer Teuerungsrate von 8,6 Prozent im Dezember. Wie es um die Stärke am US-Arbeitsmarkt bestellt ist, werden unter anderem die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe am selben Tag zeigen. Am Freitag wird die erste Schätzung zum britischen Bruttoinlandsprodukt erwartet.
BILANZFLUT UNTER DER LUPE
Börsianer hoffen auch weiter auf eine besser als befürchtet verlaufende Gewinnsaison und werden deswegen die kommenden Firmenbilanzen genau unter die Lupe nehmen. Am Montag stehen in Europa unter anderem Zahlen vom Kupferkonzern Aurubis an. „Wir rechnen mit einem positiven Jahresauftakt der metallverarbeitenden Industriefirmen“, heißt es bei den Analysten von Baader Helvea. Die Nachfrage nach allen Produkten des Konzerns sei hoch.
Am Dienstag warten mit Siemens Energy und Linde direkt zwei Unternehmen aus der ersten deutschen Börsenliga auf. Deutsche Börse stehen am Mittwoch an, ebenso sowie Heidelberger Druckmaschinen, Yara und Societe Generale. Am Donnerstag legen Siemens und Talanx vor, zudem AstraZeneca, Unilever und L’Oreal. Zum Wochenausklang stehen unter anderem Carl Zeiss Meditec an.
Auch in den USA liefern etliche Konzerne die Woche über Zahlen, unter anderem Amgen, Walt Disney, PepsiCo und PayPal.
Vorschau: Börsen zeigen Inflationsgespenst die Zähne
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von SS-Lw auf Pixabay
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