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Volkswirte zum überraschenden Minus beim BIP im vierten Quartal

Berlin, 30. Jan – Die deutsche Wirtschaft steht mit einem Bein in der Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von Oktober bis Dezember um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten eine Stagnation erwartet. Sie sagten in ersten Reaktionen:

ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK:

„Entgegen erster Meldungen konnte sich die deutsche Volkswirtschaft im Schlussquartal 2022 doch nicht über Wasser halten. Angesichts der historischen Kaufkraftvernichtung durch die Inflation und gemessen an den Befürchtungen im Sommer, als Russland den Gashahn zudrehte, ist das aber dennoch eine gute Nachricht. Das erste Quartal wird zwar eine weitere Schrumpfung der Wirtschaftsleistung bringen und damit das formale Kriterium einer technischen Rezession erfüllen. Doch angesichts des robusten Arbeitsmarktes, der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und hoher Lohnabschlüsse wird sich diese nicht wie eine Rezession anfühlen.“

ALEXANDER KRÜGER, CHEFÖKONOM HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

„Die Wirtschaft hat sich ganz klar besser gehalten, als es Frühindikatoren signalisiert haben. Die Wirtschaftsleistung hat zwar abgenommen, ein Konjunkturabsturz ist aber ausgeblieben. Hierbei geholfen haben Corona-Ersparnisse und die schuldenfinanzierten Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung. Auch wenn eine Rezession kaum über technische Aspekte hinausgehen wird, gibt es keinen Grund zu Wachstumseuphorie. Gewachsene Strukturschwächen lassen erwarten, dass Wohlstandsverluste noch jahrelang bestehen bleiben. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg erschweren die Lage hier zusätzlich. Der deutsche Sonderweg in der Energiepolitik wird zudem weitere Wettbewerbsnachteile für viele heimische Unternehmen mit sich bringen. Es sieht so aus, als werde die deutsche Wirtschaft der Musik in anderen Ländern für längere Zeit hinterherlaufen.“

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

„Die deutsche Wirtschaft ist nun also vermutlich doch in der Rezession angekommen. Ursprünglich berichtet das Statistische Bundesamt von einer Stagnation im Schlussquartal 2022. Damit nimmt nun aber das vielerorts entworfene Drehbuch seinen Lauf. Die Wintermonate gestalten sich als schwierig – wenngleich nicht ganz so schwierig wie ursprünglich erwartet. Der schwere Absturz der deutsche Wirtschaft bleibt aus, doch eine leichte Rezession wird dennoch verzeichnet, denn auch im laufenden Quartal dürfte das deutsche BIP vermutlich nochmals leicht fallen.“ 

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

„Schon wieder eine Überraschung. Dieses Mal auf der Unterseite. Eigentlich war Stagnation angezeigt nach den vorläufigen Zahlen für das BIP im Gesamtjahr 2022. Aber nun gut, die Schrumpfung im Schlussquartal passt insgesamt besser ins Gesamtbild der Indikatoren. Eine zumindest kurze Rezession wird damit wieder wahrscheinlicher und entspräche zudem unserer Prognose für 2023, die einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein halbes Prozent im Gesamtjahr vorsieht.“

JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:

„Für das Minus im vierten Quartal ist vor allem der private Verbrauch verantwortlich. Die Konsumenten sind nicht immun gegen eine Erosion ihrer Kaufkraft durch die rekordhohe Inflation. Für eine milde Rezession spricht auch, dass die Zentralbanken in vielen Ländern wegen der Inflation ihre Zinsen massiv erhöhen mussten. Außerdem haben die deutschen Unternehmen schon einen guten Teil des hohen, während Corona entstandenen Auftragsbergs abgearbeitet. Ich rechne weiter damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,5 Prozent schrumpft.“

RALF UMLAUF, HELABA:

„Die deutsche Volkswirtschaft zeigte sich zum Ende des letzten Jahres angesichts der belastenden Wirkung der Preissteigerungen und höherer Zinsen zwar widerstandsfähiger als zunächst aufgrund der im letzten Jahr stark gesunkenen Stimmungsindikatoren gedacht. Letztlich aber ist die gesamtwirtschaftliche Leistung leicht geschrumpft. Inzwischen erholen sich die Stimmungswerte zwar, liegen zumeist aber noch auf niedrigen Niveaus, so dass wir auch vor dem Hintergrund der fortgesetzten Zinserhöhungen noch mit einem schwachen ersten Quartal rechnen. Die Zinserwartungen bezüglich der EZB dürften kaum von den Zahlen beeinflusst werden, zumal der Inflationsdruck weiterhin hoch ist.“

Volkswirte zum überraschenden Minus beim BIP im vierten Quartal

Quelle: Reuters

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