Freitag, März 29, 2024
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Tödlicher Anschlag auf Japans Ex-Ministerpräsident Abe

Nara, 08. Jul (Reuters) – Japans ehemaliger Ministerpräsident Shinzo Abe ist bei einer Wahlkampfrede Opfer eines Attentats geworden. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben einen Tatverdächtigen fest, der mit einer offensichtlich selbstgebauten Waffe am Freitag auf den 67-jährigen Politiker geschossen haben soll. Ministerpräsident Fumio Kishida verurteilte die Tat. Der Anschlag auf Abe während des Wahlkampfs für die Wahlen zum Oberhaus am Sonntag sei ein inakzeptabler Angriff auf das Fundament der japanischen Demokratie, sagte der sichtlich bewegte Politiker.

Die Schüsse fielen, als der einflussreiche Ex-Regierungschef Abe vor einem Bahnhof in der alten Kaiserstadt Nara eine Rede hielt. Nach Angaben von Ärzten des Universitätskrankenhauses Nara wurde Abe am Hals getroffen und starb fünfeinhalb Stunden später im Krankenhaus. Die Polizei erklärte, der 41 Jahre alte mutmaßliche Schütze sei ein Bewohner von Nara. Der japanische Fernsehsender NHK berichtete, der Mann habe gegenüber der Polizei als Motiv angegeben, er sei mit Abe unzufrieden. Medienberichten zufolge diente der Tatverdächtige bis 2005 drei Jahre lang beim japanischen Militär. 

WELTWEITE BESTÜRZUNG

Der Tod Abes sorgte weltweit für Bestürzung. US-Außenminister Antony Blinken bezeichnete die Tat als „schockierend“ und „zutiefst beunruhigend“. Abe sei für die USA „ein außergewöhnlicher Partner gewesen und jemand, der eindeutig eine großartige Führungspersönlichkeit war“. 

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, er sei „fassungslos und zutiefst traurig“ über die Nachricht. „Wir stehen auch in diesen schwierigen Stunden eng an Japans Seite.“ Frankreich, Großbritannien und Polen äußerten sich ähnlich. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi erklärte: „Italien ist schockiert über diesen schrecklichen Angriff, der Japan und die freiheitliche demokratische Debatte trifft.“

China hob hervor, Abe habe während seine Amtszeit Beiträge zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern geleistet. Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-Yeol sprach von „einer unverzeihlichen Straftat“. 

ATTENTAT BEISPIELLOS

Japan gilt mit seinen strengen Waffengesetzen als eines der sichersten Länder der Welt. Airo Hino, Politikwissenschaftler an der Waseda-Universität, sagte, eine solche Tat sei in Japan beispiellos. „So etwas hat es noch nie gegeben“, sagte er. 

2007 wurde der Bürgermeister von Nagasaki von einem Yakuza-Gangster erschossen. Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Japans wurde 1960 während einer Rede von einem rechtsgerichteten Jugendlichen mit einem Samurai-Kurzschwert getötet. In der Nachkriegszeit wurden einige weitere prominente Politiker angegriffen, aber nicht verletzt.

ABE AUCH NACH SEINER AMTSZEIT PRÄGEND 

Abe war der am längsten amtierende Ministerpräsident Japans. Auch nach seinem Rücktritt 2020 war in der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) eine prägende Kraft und kontrollierte eine ihrer wichtigsten Fraktionen. Regierungschef Kishida, der von Abe gefördert worden war, hatte gehofft, die Wahl nutzen zu können, um aus dem Schatten seines Mentors herauszutreten, erklärten Analysten. Kishida setzte seinen Wahlkampf aus und kehrte nach Tokio zurück. Die Regierung erklärte, es gebe keine Pläne, die Wahl zu verschieben.

„ABENOMICS“ – ERFOLGREICHE WIRTSCHAFTSPOLTIK 

Abe trat sein Amt erstmals 2006 als Japans jüngster Ministerpräsident seit dem Zweiten Weltkrieg an. Nach einem Jahr, das von politischen Skandalen, der Empörung der Wähler über verlorene Rentenunterlagen und einer Wahlniederlage für seine Regierungspartei geprägt war, hörte er unter Berufung auf seine schlechte Gesundheit auf. 2012 wurde er dann erneut Regierungschef. Mit den nach ihm benannten „Abenomics“ krempelte Abe das Land um. Durch diese aktive Wirtschaftsförderung aus lockerer Geldpolitik, hohen Staatsausgaben und Reformen gelang es Japan, seit 2012 die Wirtschaft anzukurbeln. Doch die Corona-Krise machte die Erfolge zunichte. Heute steckt das Land in einer schweren Rezession. 

In Abes Amtszeit fiel auch eine tiefgreifende Änderung der Außen- und Sicherheitspolitik. So schraubte er die Verteidigungsausgaben nach oben. 2014 legte seine Regierung die Verfassung neu aus, so dass japanische Truppen erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an Auslandseinsätzen teilnehmen konnten. Ein Jahr später wurden Gesetze verabschiedet, die ein Verbot der Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung oder der Verteidigung eines angegriffenen befreundeten Landes aufheben. Der Kurswechsel stieß jedoch in der Bevölkerung auch auf Kritik. Auch wegen seines Umgangs mit dem Coronavirus wurde Abe kritisiert, selbst wenn Japan nicht unter explosionsartigen Ausbrüchen zu leiden hat wie andere Staaten. 

Abe stammte aus einer wohlhabenden politischen Familie. Sein Vater war einst Außenminister und sein Großvater diente ebenfalls als Ministerpräsident.

Tödlicher Anschlag auf Japans Ex-Ministerpräsident Abe

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Titelfoto: Symbolfoto

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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