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Stichwort: Die EU-Pharmareform – Was kommt auf die Arzneimittelindustrie zu?

London, 03. Apr – Die Europäische Kommission will am 26. April ihren Entwurf für eine neue Arzneimittelgesetzgebung veröffentlichen. Der Druck ist hoch: Engpässe bei wichtigen Arzneimitteln und die Corona-Pandemie haben die Probleme in den Blickpunkt gerückt, die durch einen Rückgang der Pharmaproduktion in Europa, komplizierte Lieferketten und die mangelnde Vorbereitung auf einen weltweiten Gesundheitsnotstand verursacht werden.

Außer der Notwendigkeit, veraltete Vorschriften zu überarbeiten, besteht jedoch kaum ein Konsens zwischen Pharmaindustrie und Patientengruppen. „Die Kommission wird einen ausgewogenen und patientenorientierten Vorschlag vorlegen und gleichzeitig eine innovative und wettbewerbsfähige Industrie voll unterstützen“, hält sich eine Kommissionssprecherin bedeckt.

Es folgt ein Überblick über Eckpunkte des Entwurfs, der von Reuters geprüft wurde:

KÜRZERER PATENTSCHUTZ

Für große Kritik in der Pharmabranche haben bereits durchgesickerte Pläne zur Verkürzung des Patentschutzes für neue Arzneimittel gesorgt. Wie lange der Zeitraum, bevor günstigere Nachahmermedikamente (Generika) auf den Markt kommen dürfen, verkürzt wird, ist allerdings noch nicht bekannt. Um jedoch den Zugang zu Arzneimitteln in der gesamten EU zu verbessern, will die Kommission den Unternehmen die Möglichkeit einräumen, mindestens ein Jahr Exklusivität für ein Produkt zurückzugewinnen, wenn es gleichzeitig in allen 27 Mitgliedstaaten auf den Markt gebracht wird.

Nach dem bestehenden Gesetz von 2004 beläuft sich der Patentschutz auf bis zu zehn Jahre. Wenn die EU-Arzneimittelbehörde ein neues Einsatzfeld für ein Medikament genehmigt, kommt ein weiteres Jahr hinzu, so dass sich der Patentschutz auf elf Jahre erhöht.

Pharmakonzernen wie Bayer, Boehringer Ingelheim und Novo Nordisch stoßen die Pläne sauer auf. Sie kritisieren, dass Europa bereits jetzt als Forschungsstandort gegenüber den USA ins Hintertreffen gerät. Nach Schätzungen des europäischen Pharmaverbands EFPIA sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Europa in den letzten 20 Jahren um ein Viertel gesunken. Kürzungen der Marktexklusivität würden die Arbeit an Medikamenten für seltene Krankheiten bremsen, von denen weniger als fünf von 10.000 Menschen in der EU betroffen sind, warnen die Hersteller.

MEHR TRANSPARENZ

Dem Entwurf zufolge könnten Unternehmen bei einem Zulassungsantrag verpflichtet werden, die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die öffentlichen Mittel, die sie für ein neues Medikament erhalten haben, offen zu legen. Diese Informationen könnten dann öffentlich gemacht werden. Dieses Vorhaben wird von Verbrauchergruppen begrüßt. Sie werfen den Herstellern vor, ihre Kosten zu übertreiben, um hohe Arzneimittelpreise zu rechtfertigen – insbesondere nachdem Brüssel den Forderungen der Arzneimittelhersteller nachgegeben hat, die Bedingungen der Covid-Impfstoffverträge geheim zu halten.

MODERNERE REGULIERUNG

Mehrere Vorschläge betreffen auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA selbst. So soll die EMA gestrafft, die Zahl der wissenschaftlichen Ausschüsse verringert und die Zeit zu verkürzt werden, die die Behörde für die Prüfung neuer Arzneimittel benötigt. Denn der Prüfungszeitraum ist im Durchschnitt fast doppelt so lang wie der der US-Behörden. Ziel ist es, innovative Behandlungen schneller zu testen, was Unternehmen mit neuartigen Arzneimitteln den Weg zum Markt erleichtern könnte. Die Industrie hofft, dass Beipackzettel für Medikamente durch digitale ersetzt werden, um die Produktionskosten zu senken. Verbraucherschützer warnen allerdings davor, dass Patienten dadurch unzureichende Informationen über verschreibungspflichtige Arzneien erhalten könnten.

BEKÄMPFUNG VON ARZNEIMITTELENGPÄSSEN

Die Reform sieht vor, dass die Arzneimittelhersteller die EMA früher über Engpässe oder die Rücknahmen ihrer Produkte informieren muss. Ferner müssen sie größere Vorräte an Medikamenten anlegen, die als unentbehrlich gelten. Die Europäische Kommission hofft, dass künftige Engpässe so vermieden werden können.

Nach Einschätzung der Pharmaunternehmen ist es allerdings schwierig, möglich Versorgungsprobleme Monate im Voraus vorherzusagen. Die Hersteller fordern deshalb, dass die EU eine EU-weite Datenbank über den Arzneimittelverbrauch einrichtet, um Nachfragespitzen besser vorhersagen zu können. Erwogen wird auch, die EMA zur Erteilung von Zwangslizenzen zu ermächtigen, wodurch der Marktschutz für einige Arzneimittel im Falle eines Notfalls im Bereich der öffentlichen Gesundheit aufgehoben würde.

ENTWICKLUNG VON ANTIBIOTIKA

Nachdem jahrzehntelang kein Durchbruch bei der Entdeckung neuer Antibiotika gelang, plant die EU Anreize für die Arzneimittelhersteller zur Entwicklung neuer Antibiotika. Experten warnen davor, dass das Problem der arzneimittelresistenten „Superbugs“ zunimmt und zu einem globalen Notfall führen könnte, der schlimmer ist als die Corona-Pandemie. Dem Entwurf zufolge könnten Unternehmen, die ein neues Antibiotikum auf den Markt bringen, in der EU ein zusätzliches Jahr Exklusivität für ein anderes auf dem Markt befindliches Arzneimittel erhalten. Vierzehn Mitgliedstaaten haben sich allerdings schriftlich an die Kommission gewandt und kritisieren die Idee als kostspielig und schädlich für die Verbraucher, da sie den Markt für Generika bremsen könnte.

WANN WERDEN DIE ÄNDERUNGEN IN KRAFT TRETEN?

Nicht so schnell. Sobald die Kommission den Entwurf veröffentlicht hat, werden das Europäische Parlament, die Kommission und die Mitgliedstaaten die letzten Details ausarbeiten. Anwälte, die die Industrie vertreten, rechnen nicht damit, dass die Rechtsvorschriften vor 2025 verabschiedet werden. Die EU-Wahlen im nächsten Jahr könnten die Pläne weiter verzögern.

Stichwort: Die EU-Pharmareform – Was kommt auf die Arzneimittelindustrie zu?

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Ri Butov auf Pixabay

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