Kiew, 14. Feb (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sehen keinen baldigen Nato-Beitritt der Ukraine. Selenskyj räumte am Montag nach einem Treffen mit Scholz in Kiew ein: „Vielleicht ist die Frage der offenen Tür für uns doch ein Traum.“ Niemand wisse, wann es soweit sei und was am Ende stehe.
Scholz betonte, dass die Nato an dem Prinzip der offenen Tür für neue Mitglieder festhalten werde, aber ein Beitritt der Ukraine jetzt nicht auf der Tagesordnung stehe. Russland fordert, dass die Ukraine dem westlichen Militärbündnis nicht beitreten darf.
Scholz drohte Russland im Falle eines Angriffs erneut mit scharfen Sanktionen des Westens. „Wir sind zu jedem Tag in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.“ Die Sanktionen würde schwerwiegenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Russlands haben, sagte der SPD-Politiker, ohne Details zu nennen. Selenskyj bezeichnete die umstrittene Nord Stream 2-Gaspipeline als geopolitische Waffe, weshalb sein Land Sicherheitsgarantien bei der Energieversorgung brauche.
Der Bundeskanzler kündigte weitere Hilfen für die Ukraine an. Deutschland sei bereits jetzt der größte Finanzier der einstigen Sowjetrepublik. Nun werde die Bundesregierung 150 Millionen Euro aus einer alten Kreditlinie freigeben und weitere 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren. Auf die Frage nach den von der Ukraine geforderten Waffenlieferungen sagte er eine Prüfung zu, verwies aber auf die restriktive deutsche Praxis bei Rüstungsexporten.
Selenskyj forderte deutsche Firmen zu mehr Investitionen auf. Zugleich kritisierte er ukrainische Oligarchen, die das Land aus Sorge vor einem russischen Angriff verlassen haben. Seine eigene Familie sei nicht ausgereist. „Meine Familie ist immer mit mir, immer mit der Ukraine“, sagte er.
Beide hatten statt eines auf 30 Minuten angesetzten Vier-Augen-Gesprächs zwei Stunden und vierzig Minuten hinter verschlossenen Türen geredet. Scholz reist am Abend zurück nach Berlin und fliegt dann Dienstag nach Moskau. Dort wird er neben Präsident Wladimir Putin auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammentreffen.
Scholz und Selenskyj schieben ukrainische Nato-Mitgliedschaft in die Ferne
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