Kiew, 26. Jan (Reuters) – Russland hat einen Tag nach der Zusage von Panzerlieferungen des Westens an die Ukraine sein Nachbarland massiv mit Raketen beschossen. Mitten im morgendlichen Berufsverkehr gab es ukrainischen Behörden zufolge eine ganze Welle von Raketenangriffen auf weite Teile des Landes. In Kiew seien ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt worden, schrieb der Bürgermeister der Hauptstadt, Vitali Klitschko, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Russland bezeichnete die von den USA und Deutschland sowie weiteren europäischen Staaten angekündigte Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine als eine „direkte Beteiligung“ an dem Konflikt.
In der gesamten Ukraine wurde am Morgen Luftalarm ausgelöst. Die Regionalregierungen warnten vor Raketenangriffen und riefen die Bevölkerung auf, Schutz zu suchen. In Kiew drängten sich die Menschen in den U-Bahnstationen. Etwa 15 Raketen seien über der Hauptstadt von der Flugabwehr abgefangen worden, teilten die Behörden mit. In zwei Stadtteilen von Kiew waren laute Explosionen zu hören.
Auch aus der Region Winnyzja im Zentrum des Landes wurden Einschläge gemeldet. In der Hafenstadt Odessa im Süden sei die Energieinfrastruktur beschädigt worden, erklärte die dortige Militärverwaltung. Opfer gebe es nicht. Insgesamt seien 47 von 55 russischen Raketen abgefangen worden, teilte General Waleri Saluschni auf Telegram mit. Russland setze unter anderem die Hyperschallrakete Kh-47 Kinschal ein. „Das Ziel der Russen bleibt unverändert: psychologischer Druck auf die Ukrainer und die Zerstörung kritischer Infrastruktur“, schrieb er. „Aber wir können nicht gebrochen werden!“
Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatten die russischen Streitkräfte mit Drohnen angegriffen. Das ukrainische Militär zerstörte nach eigenen Angaben 24 davon. Russland habe erfolglos versucht, vor allem Regionen in der Zentralukraine und Kiew anzugreifen, teilte das Militärkommando mit. Seit Oktober greift Russland gezielt die kritische Infrastruktur in der Ukraine mit Raketen und Drohnen an. Immer wieder kommt es dadurch zu Stromausfällen, Heizung und Wasserversorgung fallen aus. Wegen der Gefahr von Raketenangriffen ordnete das Energieunternehmen DTEK am Morgen die Notabschaltung der Stromversorgung in den Regionen Kiew, Odessa und Dnipropetrowsk an.
RUSSLAND: DIREKTE BETEILIGUNG DES WESTENS AN KONFLIKT WÄCHST
Russland reagiert damit auf die Zusage Deutschlands, der USA und weiterer Nato-Staaten, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern. „Es gibt ständig Erklärungen aus europäischen Hauptstädten und Washington, dass die Entsendung verschiedener Waffensysteme in die Ukraine, einschließlich Panzern, in keiner Weise eine Beteiligung dieser Länder oder des Bündnisses an Feindseligkeiten in der Ukraine bedeutet“, sagte der Sprecher des Präsidialamts, Dmitri Peskow. „Wir stimmen dem kategorisch nicht zu, und in Moskau wird alles, was das Bündnis und die von mir erwähnten Hauptstädte tun, als direkte Beteiligung am Konflikt angesehen. Wir sehen, dass dies zunimmt.“
Ähnlich äußerte sich Nikolai Patruschew, der Sekretär des mächtigen Nationalen Sicherheitsrates und enge Vertraute von Präsident Wladimir Putin. „Die USA und die Nato nehmen am Konflikt in der Ukraine teil“, sagte Patruschew der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. „Sie wollen ihn in die Länge ziehen.“ Das zeige der Verlauf des Konfliktes.
UKRAINE FORDERT KAMPFJETS UND LANGSTRECKENRAKETEN
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Mittwochabend, er habe Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch um Langstreckenraketen und Flugzeuge gebeten. Bei den Panzerlieferungen seien Geschwindigkeit und Anzahl die wichtigsten Faktoren. Es müsse eine Panzerstreitmacht aufgestellt werden, damit die Tyrannei keine Chance mehr habe.
„Die nächste große Hürden sind jetzt die Kampfjets“, sagte Jurij Sak, der Berater des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Die Ukraine wolle Kampfflugzeuge der vierten Generation wie die F-16 aus den USA. Mit ihnen wären die Vorteile auf dem Schlachtfeld immens. Die Ukraine hat eine Flotte alter Kampfflugzeuge. Sie werden zum Angriff und für Abfangeinsätze genutzt. Auf dem neuesten technischen Stand sind sie nicht – sie wurden gefertigt, noch bevor die Ukraine vor mehr als 31 Jahren ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte.
Russland reagiert mit Angriffswelle auf angekündigte Panzerlieferung
Quelle: Reuters
Titelfoto Kiew: Bild von Oleg Mityukhin auf Pixabay
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