Washington/Berlin, 06. Jan – Trotz der Serie von Zinserhöhungen in den USA zeigt sich der Arbeitsmarkt weiter gut in Schuss. Der Beschäftigungszuwachs im Dezember übertraf die Erwartungen sogar: Es entstanden 223.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft, nach 256.000 im November, wie die Regierung in Washington am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich 200.000 neue Jobs auf dem Zettel. Auch die getrennt erhobene Arbeitslosenquote überraschte. Sie fiel auf 3,5 von 3,6 Prozent im November. Zugleich ließ der Lohndruck nach, was Spekulationen an den Terminmärkten befeuerte, dass die Notenbank Federal Reserve ihr Zinserhöhungstempo Anfang Februar weiter verringern könnte.
Diese Aussichten linderten Zinssorgen an der Wall Street. „Die Fed wird die Zinsen weiter anheben, aber augenscheinlich mit einer weniger aggressiven Gangart“, erklärte Ökonom Peter Cardillo von Spartan Capital Securites.
Der Chef des Fed-Bezirks Atlanta, Raphael Bostic, sagte, die Jobdaten änderten nichts an seiner Konjunktureinschätzung. Die Wirtschaft kühle sich allmählich ab. Zugleich sei die Inflation aber noch zu hoch: „Wir müssen Kurs halten“, betonte er im TV-Sender CNBC.
Die Notenbank will die hohe Inflation im Land von zuletzt 7,1 Prozent eindämmen und mit höheren Zinsen zugleich den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abkühlen. Sie erhöhte den Leitzins im Dezember um einen halben Prozentpunkt – auf die neue Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Zuvor hatte sie vier Mal in Folge noch größere Anhebungen vollzogen – um jeweils 0,75 Prozentpunkte. Die Währungshüter sehen mittlerweile erhebliche Fortschritte beim Eindämmen des hohen Preisauftriebs und wollen künftig einen weniger aggressiven Kurs steuern.
An den Terminmärkten verstärkten sich nach den Arbeitsmarktdaten die Spekulationen, dass der Zins im Februar nur um einen Viertel-Prozentpunkt angehoben werden könnte. Bostic sagte, er würde sich mit Blick auf die Februar-Sitzung sowohl mit einem solch kleinen Schritt als auch mit einer Erhöhung um einen halben Prozentpunkt wohlfühlen.
LOHNDRUCK IM FOKUS
Laut dem US-Währungshüter James Bullard erhöht ein anhaltend robuster Arbeitsmarkt die Chancen, dass es trotz der gestiegenen Zinsen konjunkturell in den USA zu einer „sanften Landung“ kommt – also ein Konjunktureinbruch vermieden werden kann. Angesichts der auch 2023 rosigen Aussichten am Jobmarkt könne sich die Notenbank auf den Kampf gegen die Inflation konzentrieren. Während sich die Wirtschaft abkühle, werde auch der Preisauftrieb nachlassen, sagte der Chef des Notenbankbezirks St. Louis voraus.
Die Zentralbank schaut dabei auch auf die Entwicklung der Stundenlöhne, die im Dezember zum Vorjahr um 4,6 Prozent zulegten. Experten hatten hier einen Wert von 5,0 Prozent erwartet, nach 4,8 Prozent im November: „Da der Lohndruck nachzulassen scheint, dürften die Zinserwartungen kaum forciert werden“, sagte Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg. Nach Ansicht der meisten US-Währungshüter ist beim weiteren geldpolitischen Kurs „Flexibilität und Optionalität“ gefragt – wohl ein Fingerzeig, dass die Zentralbank den Fuß weiter vom Gas nehmen wird.
Konjunkturindikatoren signalisieren nun auch, dass es in der Wirtschaft nicht mehr rund läuft: Die Geschäfte der US-Dienstleister schrumpften erstmals seit über zweieinhalb Jahren. Der Einkaufsmanagerindex fiel im Dezember auf 49,6 Zähler von 56,5 Punkten im Oktober, wie aus der jüngsten ISM-Umfrage hervorgeht. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich einen Rückgang auf 55,0 Punkte erwartet, womit das Barometer noch deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten geblieben wäre. Die US-Industrie ist bereits auf Talfahrt und beschleunigte diese Abwärtsbewegung im Dezember. Sie hat zudem im November ein dickes Auftragsminus eingefahren. Die Bestellungen sanken zum Vormonat um 1,8 Prozent.
Robuster US-Jobmarkt und weniger Lohndruck – Notenbank kann kürzer treten
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Antranik Manukyan auf Pixabay
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