Washington/Berlin, 04. Jan – Verheerender hätte die erste Sitzung des neuen US-Kongresses für die Republikaner kaum verlaufen können: Obwohl sie im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, scheiterte ihr Fraktionschef Kevin McCarthy am Dienstag gleich in drei Anläufen bei der Wahl zum Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer – und das auch noch am Widerstand mehrerer ultrakonservativer Mitglieder seiner eigenen Partei. Ein vergleichbares Debakel gab es seit 100 Jahren nicht mehr. Am Ende des Tages blieb den Republikanern nichts anderes übrig als die Abstimmung auf diesen Mittwoch (18.00 Uhr MEZ) zu vertagen. McCarthy kündigte an, es trotz der herben Niederlagen weiter zu versuchen, zum mächtigsten Gegenspieler von Präsident Joe Biden im Parlament aufzusteigen. Ob er es jedoch schafft, seine Widersacher umzustimmen, ist ungewiss. Aus dem rechten Flügel kamen jedenfalls zunächst keine Signale, die ein Einlenken erwarten ließen.
McCarthys Niederlage zeigte einmal mehr, wie innerlich zerrissen seine Partei ist. Seit Jahren tobt unter den Republikanern ein Richtungsstreit zwischen jenen Mitgliedern, die wie Ex-Präsident Donald Trump die Partei weiter nach rechts rücken wollen, und einem vergleichsweise eher moderaten Lager. McCarthy sieht sich mit Vorwürfen vor allem vom ultrakonservativen Parteiflügel konfrontiert, in seiner Zeit als Minderheitsanführer im Repräsentantenhaus nicht aggressiv genug den Demokraten unter der bisherigen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Stirn geboten zu haben. Einige Republikaner halten ihn zudem für zu wankelmütig. „Er ist Teil des Problems. Er ist nicht Teil der Lösung“, hatte etwa der Abgeordnete Bob Good im Sender Fox News seine Ablehnung gegenüber McCarthy zu Beginn der Woche bekräftigt.
ALPTRAUM FÜR MCCARTHY
Bei der Kongresswahl im November hatten die Republikaner erstmals seit vier Jahren wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert. Mit 222 zu 212 Mandaten fällt diese zwar knapp aus. Dennoch sollte die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses wie in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich für die tonangebende Partei kaum mehr als eine Formalie sein, bei der sie sich keinen Ausrutscher erlaubt. Schließlich geht es um den dritthöchsten Posten im Staat, nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidentenamt.
Für McCarthy entpuppte sich die Abstimmung jedoch als Alptraum. Der parteiinterne Machtkampf brach bei der konstituierenden Sitzung des 118. Kongresses offen aus. Eine Gruppe von etwa 20 rechten Hardlinern verweigerte McCarthy ihre Unterstützung. Damit verfehlte der 57-Jährige die nötige Mehrheit. Selbst der neue Minderheitsführer der Demokraten, Hakeem Jeffries, erhielt mehr Stimmen, weil sich seine Partei geschlossen hinter ihn stellte. Doch auch für ihn reichte es zahlenmäßig nicht, um den Posten zu erhalten.
MCCARTHY: TRUMP STEHT HINTER MIR
Und so geht es ab Mittag in die nächste Wahlrunde. McCarthy will erneut antreten. Den rechten Flügel ließ er wissen, dass dessen Gallionsfigur – Ex-Präsident Trump – ihm telefonisch seine Unterstützung versichert habe. Doch es kursieren bereits andere Namen. Gehandelt wird etwa der Abgeordnete Jim Jordan. Der 58-Jährige wird im rechten Lager geschätzt und ist ein erklärter Anhänger Trumps. Beim dritten Wahlgang am Dienstag wurde er bereits als Alternative aufgestellt und erhielt prompt die 20 Stimmen, die McCarthy für einen Erfolg fehlten. Gleichzeitig hatte Jordan aber noch vor seiner Nominierung Stimmung für McCarthy gemacht: „Wir müssen uns um ihn scharen“, sagte er in einer leidenschaftlichen Rede vor den Abgeordneten. „Ich glaube, Kevin McCarthy ist der Richtige, um uns anzuführen.“
Doch selbst wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, tritt er den Posten unweigerlich geschwächt an. Statt sich voll darauf konzentrieren zu können, dem demokratischen Präsidenten Biden das Leben schwerzumachen, wird er auch die Gräben in seiner eigenen Partei überbrücken müssen. Für die Republikaner ist das nach dem Verlust des Weißen Hauses bei der Wahl 2020 und den längst nicht so erfolgreiche wie erhofft verlaufenen Zwischenwahlen im vergangenen November alles andere, als ein verheißungsvoller Auftakt in die wichtige Phase bis zu den nächsten Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024.
Republikaner stürzen sich selbst ins Debakel – Offener Machtkampf im Kongress
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Nils Wende auf Pixabay
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