Freitag, November 22, 2024
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Quo Vadis China?

Chinas Schwenk in der Null-Covid-Politik sowie der Parteitag im Oktober beschäftigen die Analysten. 

3 Marktexperten kommentieren Chinas Aussichten für 2023

China kommt wieder auf Kurs

Dhiraj Bajaj, Head of Asia Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM)

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Foto von Dhiraj Bajaj (Quelle: LOIM)

Eine vollständige Rückkehr zur Normalität in China wird noch mindestens sechs Monate dauern, doch dürfte die Wirtschaftstätigkeit jetzt oder Anfang 2023 ihren Tiefpunkt erreichen. In den Bereichen Verkehr, Einzelhandel, Freizeit und sogar bei den Verkäufen von Eigenheimen zeichnet sich im Dezember bereits ein Aufwärtstrend ab, da sich die Mobilität verbessert. Dies wird nun wahrscheinlich den weltweit größten Aufschwung nach Covid markieren, der sich bis 2023 hinziehen wird.

Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Verbraucherstimmung und die Einzelhandelsausgaben nur allmählich erholen werden, da die chinesischen Haushalte keine Geldgeschenke wie in den USA und Europa erhalten haben. Darüber hinaus haben die Immobilienkrise und die sich verschlechternden Bilanzen der privaten Haushalte negative Vermögenseffekte verursacht, deren Umkehrung einige Zeit dauern wird. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich die Erholung der Wirtschaft und der Unternehmensgewinne ähnlich wie in den USA nach der Finanzkrise von 2008 über einen längeren Zeitraum erstrecken wird, und die Anleger werden wahrscheinlich viele Quartale lang die Gelegenheit haben, von der Erholung bei Krediten und Aktien zu profitieren.

Im Immobiliensektor, der nach wie vor mindestens ein Viertel des BIP des Landes erwirtschaftet, hat China angekündigt, dass seine wichtigsten Mega- und politischen Banken Kreditlinien und Liquiditätshilfen in Höhe von 1,5 bis 2 Billionen RMB für das oberste Dutzend Immobilienentwickler bereitstellen werden, darunter auch wichtige große private Bauträger. Wir gehen davon aus, dass die Branche in der ersten Hälfte des Jahres 2023 den Break-even beim Netto-Cashflow erreicht und 2024 wieder das Auslastungs- und Umsatzniveau von vor dem Covid erreicht.

Wachstumsschub in China lässt auf sich warten

Gerwin Bell, Lead Asian Economist, PGIM Fixed Income

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Foto von Gerwin Bell (Quelle: PGIM Fixed Income)

Die Märkte haben seit dem Parteitag der Kommunistischen Partei eine Reihe von Lockerungen der Covid-Politik aufmerksam verfolgt. Dennoch rechnen wir nicht vor dem zweiten Quartal 2023 mit einem nennenswerten Aufschwung auf Basis einer Wiedereröffnung. Während die chinesischen Neujahrsfeiertage in den kommenden Tagen zu einem starken Anstieg von Inlandsreisen führen werden, könnten sie auch zu einer weiteren Infektionswelle beitragen. Alles in allem aber sieht es so aus, als ob die Bevölkerung wie auch die politischen Entscheidungsträger die Covid Politik der letzten 3 Jahre ad-acta gelegt haben.

Dennoch sollte man den damit verbundenen Wachstumsschub nicht überschätzen. Im Gegensatz zu weiten Teilen der übrigen Welt hatten die Schließungen in China im Allgemeinen keine Auswirkungen auf die Produktion. Außerdem erhielten die Haushalte keine umfangreichen Einkommensbeihilfen (und bauten auch keine Ersparnisse auf), was den möglichen Aufschwung bei der Wiedereröffnung weiter einschränkt.

Das schwache Wachstum Chinas im Jahr 2022 war das Ergebnis eines im freien Fall befindlichen Immobiliensektors. Als Reaktion darauf kündigte die Regierung nach dem Parteikongress im November schließlich 16 Maßnahmen an, mit denen die Liquiditätsknappheit bei Bauträgern behoben und die Anzahlungsbeschränkungen für Hauskäufer gelockert werden sollten. Es ist fraglich, ob die Förderung der Immobilienkreditvergabe die Nachfrage der privaten Haushalte nach Immobilien verbessern wird, wenn das Vertrauen in diese Anlageklasse auf dem Tiefpunkt ist.

Sollten die angekündigten Maßnahmen den Rückgang der Immobilienpreise nicht aufhalten können, ist mit weiteren fiskalischen Impulsen zu rechnen, wie z. B. Programme für den sozialen Wohnungsbau, die durch eine Ausweitung der Geldmenge finanziert werden.

Vor diesem Hintergrund belassen wir unsere Prognose für das jährliche BIP-Wachstum für dieses Jahr bei 5,7 %, wobei die letztgenannte Schätzung auch statistische Besonderheiten widerspiegelt und der kurzfristige Wachstumspfad unsicher bleibt. Außerdem haben wir unsere Inflationsprognose für China von 2,8 % auf 2,0 % für das vierte Quartal 2022 und von 1,8 % auf 1,3 % für das vierte Quartal 2023 gesenkt, da trotz des scheinbar hohen BIP-Wachstum ein substantieller Output Gap und versteckte Arbeitslosigkeit nur langsam reduziert werden.

China bleibt ein wichtiger Teil der globalen Lieferketten

Wenli Zheng, Regional Portfoliomanager bei T. Rowe Price

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Foto von Wenli Zheng (Quelle: T. Rowe Price)

Was die Lieferketten betrifft, beweist China weiterhin Stärke – trotz der Bedenken über eine Entkopplung. Die ausländischen Direktinvestitionen in China sind seit Anfang 2022 um rund 20 % gestiegen. Die Investitionsausgaben in Chinas Fertigungssektor machten im 2021 mehr als 60 % der weltweiten Gesamtinvestitionen aus, und Chinas Industrieproduktion hatte einen Anteil von 30 % am weltweiten Gesamtvolumen – in beiden Fällen ein Rekordprozentwert.

In arbeitsintensiven Branchen wie Bekleidung, Möbel und Elektronikmontage hat China Marktanteile verloren. Seinen Marktanteil in technologieintensiven Bereichen wie Automobile, Ausrüstung, elektronische Bauteile usw. konnte es dagegen rasch erhöhen. Die demografische Entwicklung in China hat sich von einem positiven in einen belastenden Faktor gewandelt, doch die Investitionen in die Bildung / das Ingenieurswesen zahlen sich erst jetzt langsam aus. Die Zahl der jährlichen Studienabsolventen im Bereich MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ist in China höher als in allen Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen.

In strategischen Hightech-Branchen – wie hochmoderne Halbleiter, Biotechnologie und potenziell Elektrofahrzeuge – stellen wir durchaus hier und da eine Entkopplung fest. Dies könnte Chinas Entwicklung in bestimmten Bereichen bremsen, unter anderem bei Hochleistungs-Computern, künstlicher Intelligenz usw. Andererseits hat die Sorge über die Sicherheit der Lieferketten in Bereichen wie Strom, Halbleiter, analoge Technik, medizinische Geräte usw. zu einer schnelleren lokalen Substitution beigetragen.

Die Gewinne chinesischer Unternehmen haben seit Anfang 2022 unter der Covid-Pandemie und der Schwäche im Immobiliensektor gelitten. Unseres Erachtens könnte die Talsohle jedoch erreicht sein. Der Konsens erwartet, dass das Wachstum der Gewinne je Aktie (EPS) in China von 2% im Jahr 2022 auf 10% im Jahr 2023 zulegen wird. Für das globale EPS-Wachstum (MSCI ACWI) wird indes ein Rückgang von 7,5% im Jahr 2022 auf 3,7% im Jahr 2023 erwartet.

China kommt wieder auf Kurs

Fotos von Dhiraj Bajaj (Quelle: LOIM), Wenli Zheng (Quelle: T. Rowe Price) und Gerwin Bell (Quelle: PGIM Fixed Income)

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